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Heidelberger Familienblätter — 1863

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Nr. 1 - Nr. 12 (4. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43184#0002

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Das Mädchen hatte den etwas ausführlichen Bericht mit unverkenn-
barer Theilnahme angehört; bei dem Schluſſe aber brach ſie in ein lautes
und ſo herzliches Lachen aus, daß der Erzähler ſie verwundert anblickte
und ſich unwillküͤhrlich anſchickte, in daſſelbe einzuſtimmen. —
„Haben Sie denn,“ kicherte ſie, „dem Portier geſagt, daß Sie eine
Stelle als Tenor ſuchen? — Das haben Sie gut gemacht!“ fuhr ſie fort,
als Adam bejahend nickte. „Sie werden den Unwillen und die Antwort
des Portiers begreiflich finden, wenn ich Ihnen ſage, daß er einen Sohn
hat, einen großen häßlichen Bengel, der die anderthalb Fiſteltöne in ſeinem
Halſe für einen ſchönen Tenor hält und den er gern in die ofſene Stelle
einſchmuggeln möchte.“ — „Der Schlingel!“ rief Adam und fuhr ſich un-
muthig durch das Haar, das er noch militäriſch zugeſchnitten trug. „Und
ich habe mich von dem Menſchen einſchüchtern laſſen und bin mit der
ganzen Geſchichte ſo zaghaft geworden, daß ich ſchon im Begriff war,
alle Hoffnung aufzugeben! Ich wollte faſt keinen Verſuch mehr machen
zu dem Intendanten zu kommen, und entſchloß mich nur aufs Gerathe-
wohl, bei dem groben Portier nochmal anzufragen, wann ich denn hoffen
dürfte, einmal vorzukommen. Aber nun will ich gleich hin und mich zum
zweitenmal gewiß nicht abſpeiſen laſſen.“ — „Bleiben Sie,“ ſagte das
Madchen, „es macht mir Vergnügen, Ihnen vielleicht einen kleinen Dienſt
erweiſen zu können. Ich will Ihnen den Gang zum Portier erſparen und
Sie auf dem Eingange des Perſonals ins Haus führen. Folgen Sie
mir — wir müſſen zwar einen kleinen Umweg machen, allein beim Theater
werden Sie noch öfter erfahren, daß ein Umweg nicht immer auch der
weitere Weg iſt.“
ö Adam folgte ſeiner Führerin bereitwillig bis zu einem Seitenthürchen,
das er gar nicht bemerkt hatte, und tappte dann durch allerlei halbdunkle
Gänge und über große und kleine Treppen hinter ihr her. Mit einem-
mal ſtand ſie an einer Thüre ſtill, öffnete und hieß ihren Schützling ein-
treten. Es war ein Vorzimmer, in dem ein paar Diener ſich langweilig
auf den Stühlen dehnten. Sie flüſterte einem davon ein paar Worte zu,
worauf dieſer ſich erhob und mit einem Blicke auf Adam in der Haupt-
thüre verſchwand. „Es ſoll mich freuen, wenn Sie Ihren Wunſch er-
reichen,“ ſprach ſie dann freundlich zu dieſem. „Guten Tag!“ Damit
war ſie zur Thüre hinaus, ohne daß Adam Zeit gehabt hätte, für ihre
Freundlichkeit zu danken oder ſie nach ihrem Namen zu fragen, wie er ſich
während der Wanderung durch die ſinſtern Gänge feſt vorgenommen hatte.
Er war ägerlich über ſich ſelbſt und machte ſich wegen ſeiner Ungeſchick-
lichkeit Vorwürfe; allein er hatte nicht lange Zeit dazu, denn die Thüre,
durch welche der Diener verſchwunden war, ging auf — der Diener winkte
ihm, Adam fand kaum noch Muße, ſeinen Stock und Bündel abzulegen
und ſtand eine Sekunde ſpäter vor dem Intendanten Babo.
Der Dichter des „Otto von Wittelsbach“ war ein hochgewachſener
Mann von martialiſchem Ausſehen, aber das etwas ſtark geröthete Geſicht,
von wenigen ganz weißen Haaren umgeben, hatte einen wohlwollenden,
ermunternden Ausdruck. In einen großen Seſſel gelehnt und in einem
auf ſeinen Knieen liegenden Buche blätternd, hörte er Adam aufmerkſam
zu, der nach ein paar anffordernden Worten ſein Geſuch vortrug.
ö Als er geendet hatte, ſchlug Babo die großen freundlichen Augen,
die bisher auf dem Buche geruht hatten, empor und ſah dem Bittſteller
 
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