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Heidelberger Familienblätter — 1863

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Nr. 1 - Nr. 12 (4. Januar - 30. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43184#0003

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— 3 —

feſt ins Geſicht. „Sie ſind alſo Tenoriſt und wollen in den Chor ein-
treten?“ ſagte er mit einem leiſen Anfluge von Mannheimiſchem Dialekte.
„Recht ſchön — recht brav!“ fuhr er dann fort, indem er die ihm über-
gebenen Zeugniſſe durchging. „Sie haben alſo auch gedient: aber verſtehen
Sie denn aͤuch etwas italieniſch?“ — Adam ſah ihn verwundert an und
verneinte. „Sie ſtaunen?“ fuhr Babo lächelnd fort. „Ich will Ihnen
das Räthſel löſen. Wir haben hier deutſche und italieniſche Oper und
für jede eigenes Perſonal, nur der Chor muß begreiflich in beiden Dienſte
thun. Die Italiener, namentlich die Damen, ſind ein etwas häkeliges
Volk — da gibt es hundert kleine Anſtände. Um dieſe zu vermeiden, habe
ich meinem Kapellmeiſter Winter zugeſichert, niemand mehr in den Chor
aufzunehmen, der nicht etwas italieniſch verſteht. Alſo begreifen Sie
wohl,“ ſchloß er aufſtehend, „daß ich dieſer Zuſage nicht entgegenhandeln
kann. Angenommen auch, daß Sie die andern Erforderniſſe beſitzen, muß
ich bedauern, Ihr Geſuch nicht bewilligen zu können.“
Damit gab er Adam die Zeugniſſe zurück, der ſie verblüfft empfing
und mit einem verwirrten Bückling ſich zurückzog. Obwohl die Ent-
ſcheidung bündig gegeben war, wußte er doch im Augenblicke ſich kaum
zu faſſen. Es ſummte ihm im Kopfe, und ohne recht zu wiſſen wie, ge-
langte er durch das Vorzimmer in den dunklen Gang. ö ö
Da, in der Ungewißheit, wohin er ſeinen Weg zu nehmen habe,
wurde ihm das Erlebte erſt vollkommen klar und ein unendlich bitteres
Gefühl überkam ihn bei dem Gedanken, daß ihm nun auch dieſes Mittel,
ſein Fortkommen zu finden, abgeſchnitten war. Was ſollte er beginnen! —
Während er dies in betrübter Seele erwog, hörte er hinter ſich haſtige
Schritte, wie eines Laufenden und fühlte ſich von rückwärts am Aermel-
gefaßt. Es war der Theaterdiener, der ihm meldete, er möchte umkehren
und nochmals zum Intendanten kommen. ö
Babo kam ihm ſchon an der Thür des Zimmers entgegen und hieß
ihn eintreten. Er war aber nicht mehr allein — in der Fenſterbrüſtung
lehnte ein hagerer Mann mit dunklem Geſichte und kohlſchwarzen Haaren.
Es war Katzianer, der Heldenſpieler des Theaters. ö
„Sie haben,“ begann Babo, „von Ihren Papieren etwas verloren,
was mein vollſtes Intereſſe erweckt und worüber ich mir einigen Auf-
ſchluß erbitten möchte.“ Dabei überreichte er Adam ein zuſammengefal-
tetes Blatt. Es war des alten Lodermaier Partitur zu Haydns Greis.
„Ich leſe auf dieſem Blatt Unterſchrift Karl v. St.,“ fuhr er fort; „dieſer
Name iſt mir nicht unbekannt — wer war es, der ihn hieher ſchrieb?“ —
„Er war ein Lieutenant im zweiten württembergiſchen Reiter-Regiment
Prinz Adam und iſt bei Brienne geblieben. Die paar Zeilen ſchrieb er
mir am Vorabend zum Andenken.“ — „Sie verbinden mich,“ erwiederte
Babo, „wenn Sie mir Anlaß und Hergang mittheilen.“ — Adam erzählte.
Babo war während der Erzählung aufgeſtanden und im Zimmer
langſam auf⸗ und abtzegangen. Beim Schluſſe ſtand er abgewendet und
betrachtete mit großer Aufmerkſamkeit ein an der Wand hängendes Frauen⸗—
gemaͤlde. Dann trat er zu Adam. „Lieutenant von St.,“ ſagte er, „war
mein naher Verwandter, meiner Schweſter Sohn. Ich danke Ihnen in
ihrem und meinem Namen für die Mittheilung dieſes freundlichen Bildes
aus den letzten Stunden eines lieben Verlornen. — Was meinen Sie,
Katzianer?“ fuhr er dann gegen dieſen gewendet fort. „Unter dieſen
 
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