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quar jetziger Zeit nicht völlig zufrieden seyn
dürfte 2). Bestreitungen gehören in unser
Werk nicht; wir legen blofs was wir sahen
und dachten vor, und überlassen jedem An-
dern sein eigenes, vielleicht besseres, Urtheil.
Musen und Grazien fliehen, wo Hader und
Unglimpf sic£ wittern läfst3).
') In den Attributen der Musen ist, wie man weifs, wenig Übereinstimmung, so wolil bey
Dichtern, als auf Kunstwerken. Auf Statuen, deren äufsere Theile gewöhnlich ergänzt sind, ist nicht
zu rechnen; aber auch auf Pieliefs nicht viel mehr. Ein heraufgezogenes über die eine Hand gewor-
fenes Gewand bemerkt man an mehreren; eine Figur, die sich auf einem Pfeiler lehnt, mit Piolie in
der Hand, kömmt auf mehreren Marmorn, auch auf geschnittenen Steinen, vor; zuweilen hat sie die
Hand unter dem Kinn gestemmt: so Tom. IL Mus. Pio Clem. tab. 14. und Mus. Capit. Tom. IV. täb.
26., und auch auf der Apotheose Homers. Man deutet sie bald auf Clio, bald auf Calliope, bald auf
Polyhynmia, wie Visconti auch behauptet: Mus. Pio Clem. Tom. I. tab. 24. Dann aber soll Calliope die
Muse seyn, welche auf einer Rolle schreibt; zur Begeisterung des epischen Gesangs will diefs sich
nicht fügen. Natürlicher wird sich bey der Schreibenden au die Clio, als Muse der Geschichte, denken
lassen. Hier auf unserm Marmor ist die Calliope, als die epische Muse, wohl die schicklichste; sie
stehet in Betrachtung, schauend und verlieft im Nachdenken. Orlaudi erklärt die drey Figuren, Pitho,
Aulelria, Cilharistria. Hiervon soll unten gesprochen werden.
0 Le Nozze di Paride ed Elena rappresentate in un Vaso antico nel Museo del Sr. Tommaso Jen-
kins, Gentiluomo Inglese. In Roma. 1775. Fol. In den vorigen Jahrhunderten findet man. häufige Bey-
spiele, dafs man die Inschriften abzeichnete, und auf die Reliefs, Figuren und Kunst, gar keine Rück-
sicht nahm; war die Schrift copirt, so liefs man das verachtete Kunstwerk vernachlässigt liegen und zu
Grunde gehen. Die auf der Vase befindliche Schrift war schon aus Gratern und andern bekannt,, und
ist nun durch Orlandi richtiger abgeformt; sie fängt über der Helena an, und geht um den Becher
herum: in schöner Capitalschrift. GRAECEIA. P. F. PiVFA. POMPON. DIANAE. LOCH. S. P. S. C. P. S.
(Graeceia, Publiifilia, Rufa, Pomponia, Dianae Lochiae, sacrum: pro se curauit pecunia sua). Eine
römische Dame, Gräceja, eine Tochter des Publius Gräcejus Rufus, an einen Pomponier vermählt, hat
also dieses Kunstwerk aus Andacht der Diana geweiht; und zwar der Diana Lochia, als Geburtsgöttin.
So lasen wir auf dem ersten Blick, und so finden wir es auch geschrieben bey Gratern; ob man gleich
gestehen mufs, dafs Lochia zwar aus Griechen, aber aus keinem römischen Denkmahl weiter bekannt ist;
der verdienstvolle Gelehrte, Hr. Millin, hat sie neulich auf einem geschnittenen Steine mit dem Nah-
men, aber griechisch, Ao%<«, gefunden, in Mommens antiques inedits Tom. I. XXVI. Vielleicht hatte
eben dieser Beynahme Beziehung auf die Veranlassung des Weihgeschenks an die Gottheit. An diese
dachte Orlandi nicht, sondern las: Dianae locum huno septum priuato solo consecrauit pecunia sua.
3) Jene drey weiblichen Figuren erklärt Orlandi so: die mit der Rolle sey Pitho, die Göttin der
Überredung, die im Gefolge der Grazien und der Venus vorkömmt, und auch nächst der Diana Lochia,
Jupiter, Juno, Venus, eine der fünf Gottheiten der Ehen in Ploiii war: nach Plutarch Quaest. Piorn. pr.
p. 2G4. B.; die andern beyden seyen eine Flötenspielerin und eine Citharaspielerin; er deutet das Ganze
auf die Hochzeitfeyer der beyden Liebenden; in welchem Falle freylich der Flöte und der Lyra oft ge-
dacht wird. Auf die Pitho ward Orlandi durch das andere ähnliche Werk geleitet, das wir gleich aus
Winkel mann anführen wollen. Zu der Handlung selbst, der überredenden Venus, würde Pitho nicht
unschicklich seyn, wenn es mit dem Übrigen zusammenstimmte. Weiter hin ist Orlandi geneigter,
alle drey für Mägdchen aus dem Gefolge der Helena zu halten.
Winkelmann Monim. ant. Num. 115. giebt das Kupfer von einem Relief beym Duca Caraffa
Noja: auf welchem Helena und Venus, dann Paris und Amor, völlig, wie hier, vorgestellt sind, mit
beygeschriebenen griechischen Nahmen; hinter Helena sitzt auf einer Säule eine weibliche Bekleidete,
mit hinterwärts über dem Kopf gezogenem Gewände, und einem Kopfschmucke, in Gestalt eines Schef-
fels, unter der rechten Hand eine Taube, mit dem griechischen Worte Pitho. Da sich die Göttin
sonst mit diesen Attributen nicht findet: so ist Winkelmann geneigt, sie für eine Sklavin der Helena
zu halten; aber woher soll die Sklavin geschleyert seyn, und warum sitzt sie. auf einer Säule?
quar jetziger Zeit nicht völlig zufrieden seyn
dürfte 2). Bestreitungen gehören in unser
Werk nicht; wir legen blofs was wir sahen
und dachten vor, und überlassen jedem An-
dern sein eigenes, vielleicht besseres, Urtheil.
Musen und Grazien fliehen, wo Hader und
Unglimpf sic£ wittern läfst3).
') In den Attributen der Musen ist, wie man weifs, wenig Übereinstimmung, so wolil bey
Dichtern, als auf Kunstwerken. Auf Statuen, deren äufsere Theile gewöhnlich ergänzt sind, ist nicht
zu rechnen; aber auch auf Pieliefs nicht viel mehr. Ein heraufgezogenes über die eine Hand gewor-
fenes Gewand bemerkt man an mehreren; eine Figur, die sich auf einem Pfeiler lehnt, mit Piolie in
der Hand, kömmt auf mehreren Marmorn, auch auf geschnittenen Steinen, vor; zuweilen hat sie die
Hand unter dem Kinn gestemmt: so Tom. IL Mus. Pio Clem. tab. 14. und Mus. Capit. Tom. IV. täb.
26., und auch auf der Apotheose Homers. Man deutet sie bald auf Clio, bald auf Calliope, bald auf
Polyhynmia, wie Visconti auch behauptet: Mus. Pio Clem. Tom. I. tab. 24. Dann aber soll Calliope die
Muse seyn, welche auf einer Rolle schreibt; zur Begeisterung des epischen Gesangs will diefs sich
nicht fügen. Natürlicher wird sich bey der Schreibenden au die Clio, als Muse der Geschichte, denken
lassen. Hier auf unserm Marmor ist die Calliope, als die epische Muse, wohl die schicklichste; sie
stehet in Betrachtung, schauend und verlieft im Nachdenken. Orlaudi erklärt die drey Figuren, Pitho,
Aulelria, Cilharistria. Hiervon soll unten gesprochen werden.
0 Le Nozze di Paride ed Elena rappresentate in un Vaso antico nel Museo del Sr. Tommaso Jen-
kins, Gentiluomo Inglese. In Roma. 1775. Fol. In den vorigen Jahrhunderten findet man. häufige Bey-
spiele, dafs man die Inschriften abzeichnete, und auf die Reliefs, Figuren und Kunst, gar keine Rück-
sicht nahm; war die Schrift copirt, so liefs man das verachtete Kunstwerk vernachlässigt liegen und zu
Grunde gehen. Die auf der Vase befindliche Schrift war schon aus Gratern und andern bekannt,, und
ist nun durch Orlandi richtiger abgeformt; sie fängt über der Helena an, und geht um den Becher
herum: in schöner Capitalschrift. GRAECEIA. P. F. PiVFA. POMPON. DIANAE. LOCH. S. P. S. C. P. S.
(Graeceia, Publiifilia, Rufa, Pomponia, Dianae Lochiae, sacrum: pro se curauit pecunia sua). Eine
römische Dame, Gräceja, eine Tochter des Publius Gräcejus Rufus, an einen Pomponier vermählt, hat
also dieses Kunstwerk aus Andacht der Diana geweiht; und zwar der Diana Lochia, als Geburtsgöttin.
So lasen wir auf dem ersten Blick, und so finden wir es auch geschrieben bey Gratern; ob man gleich
gestehen mufs, dafs Lochia zwar aus Griechen, aber aus keinem römischen Denkmahl weiter bekannt ist;
der verdienstvolle Gelehrte, Hr. Millin, hat sie neulich auf einem geschnittenen Steine mit dem Nah-
men, aber griechisch, Ao%<«, gefunden, in Mommens antiques inedits Tom. I. XXVI. Vielleicht hatte
eben dieser Beynahme Beziehung auf die Veranlassung des Weihgeschenks an die Gottheit. An diese
dachte Orlandi nicht, sondern las: Dianae locum huno septum priuato solo consecrauit pecunia sua.
3) Jene drey weiblichen Figuren erklärt Orlandi so: die mit der Rolle sey Pitho, die Göttin der
Überredung, die im Gefolge der Grazien und der Venus vorkömmt, und auch nächst der Diana Lochia,
Jupiter, Juno, Venus, eine der fünf Gottheiten der Ehen in Ploiii war: nach Plutarch Quaest. Piorn. pr.
p. 2G4. B.; die andern beyden seyen eine Flötenspielerin und eine Citharaspielerin; er deutet das Ganze
auf die Hochzeitfeyer der beyden Liebenden; in welchem Falle freylich der Flöte und der Lyra oft ge-
dacht wird. Auf die Pitho ward Orlandi durch das andere ähnliche Werk geleitet, das wir gleich aus
Winkel mann anführen wollen. Zu der Handlung selbst, der überredenden Venus, würde Pitho nicht
unschicklich seyn, wenn es mit dem Übrigen zusammenstimmte. Weiter hin ist Orlandi geneigter,
alle drey für Mägdchen aus dem Gefolge der Helena zu halten.
Winkelmann Monim. ant. Num. 115. giebt das Kupfer von einem Relief beym Duca Caraffa
Noja: auf welchem Helena und Venus, dann Paris und Amor, völlig, wie hier, vorgestellt sind, mit
beygeschriebenen griechischen Nahmen; hinter Helena sitzt auf einer Säule eine weibliche Bekleidete,
mit hinterwärts über dem Kopf gezogenem Gewände, und einem Kopfschmucke, in Gestalt eines Schef-
fels, unter der rechten Hand eine Taube, mit dem griechischen Worte Pitho. Da sich die Göttin
sonst mit diesen Attributen nicht findet: so ist Winkelmann geneigt, sie für eine Sklavin der Helena
zu halten; aber woher soll die Sklavin geschleyert seyn, und warum sitzt sie. auf einer Säule?