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IX, i—8

IX. GESANG
1. Als ob die Sonne die ubermafiige Glut ihres eignen Glanzes
nicht zu ertragen vermbchte, eilte sie dann, den Untergangsberg zu
besteigen, um sich in das Wasser des westlichen Ozeans zu sttirzen1-
2. Heftige Sehnsucht nach dem Liebesgenufi empfindend, mab
eine Frau wiederholt mit dem Blicke, der auf die vor (ihr liegende)
Fensterbffnung gerichtet war, den Zwischenraum zwischen dem Unter-
gangsberg und der Sonne.
3. Als der Tag zu Ende ging, wurde er triibe (und) ktihl, verlor
seine Glut und seinen Glanz, (und) besab einen ganz weifien Himmel
(und) eine schwache Sonne, wie einer, der das Greisenalter erreicht
hat, schlaff (und) kalt wird, seine Kbrperwarme und Farbe verliert,
(und) ein ganz weibes Haupt (und) schwache Augen besitzt.
4. Die Vogelscharen gaben laute Antwort dem Baume, welcher
sie gleichsam nach Hause rief mit seinen Zweig-Fingern, die von
dem kiihlen Abendwinde sanft bewegt wurden.
5. Wahrend der Dammerung verweilte das Strahlennetz der Sonne,
(obwohl) es in diesem Augenblicke diinn war2 3, auf den Gipfeln des
Berges. Denn Edlen gebiihrt selbst zur Zeit des Untergangs eine
ganz hohe Stelle.
6. Als die Sonne sinken wollte, dienten ihr selbst (ihre) tausend
Strahlenhande nicht zur Stiitze. Denn, wenn das Schicksal ungiinstig
ist, ntitzt (selbst) der Besitz vieler Hilfsmittel nichts.
7. Die Sonne wurde dunkelrot gefarbt, als sie sich der Himmels-
gegend des Varuna (dem Westen) unmittelbar naherte, in welcher
die Wolken rot wie frischer Safran waren (und) der glanzende Himmel
von ihren Strahlenspitzen verlassen wurdej, [wie (ein Buhle) sich heftig
verliebt, wenn er (die Frau eines andern) innig umarmt, deren Busen
mit frischem Safran rot gefarbt ist (und) deren glanzendes Gewand
von seinen Fingern gelbst wird3].
8. Wahrend die Sonne, glanzend wie ein Biischel von Rosen,
unterging, sah der Horizont aus wie (ein Armband), dessen Mitte
mit dunkelroten Rubinstiicken besetzt ist.

1 -si: cTUi fl Td I van.
2 7TW I Vail.
3 Vail, liest i|fldi0.
 
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