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66 Die All ustrirte Weit.

den herrlichen Farben der gemalten Fenster, als den durch-
brochenen Nischen, Statuen, Statuetten und tausend andern
Verzierungen angezogen. Der Hochaltar — ein Meister-
werk — macht einen wahrhaft großartigen Totaleindruck,
während die einzelnen Details bis ins Feinste ausgearbeitet
sind. Der obere Theil stellt das Bild des h. Martin dar,
dessen Namen die Kirche anfangs führte, später jedoch mit
dem der h. Jungfrau vertauschte, da ein Muttergottesbild
in einer der beiden Kapellen durch seine Wunder außer-
ordentliche Berühmtheit erlangt hatte.
Die Liebfrauenkirche bewahrt außerordentliche Schätze;
namentlich bewundert man in der erwähnten Kapelle den
Reichthum von Kreuzen, Lampen, Waffenröcken, Standar-
ten, Monstranzen, Kelchen, goldenen, silbernen und elfen-
beinernen Figuren, Geschenken der Könige und Fürsten aller
Länder. Eines der herrlichsten Juwele dieses Schatzes ist
eine vergoldete Silbermonstranz, welche Heinrich VIII. von
England kurz vor seinem Uebertritt zur protestantischen
Kirche hierher geschenkt hat.
In einer jährlich am I. September stattfindenden
feierlichen Prozession wird dies wunderthätige Bild von
zwölf Abgeordneten der benachbarten Städte und Dorfschaf-
ten umhergetragen. Auch die Lütticher kommen jährlich
in Prozesston hierher gewallfahrtet.

Können Insekten sprechen?
Diese Frage, sagt Rymer Jones in einer neulich von
ihm herausgegebenen interessanten naturhistorischen Schrift,
dürfte wirklich dem seltsam erscheinen, welcher mit dem
Worte sprechen die Fähigkeit versteht, seine Gedanken
durch artikulirte Laute auszudrücken; indessen wird sich
Jeder, der jenen kleinen Thieren seine Aufmerksamkeit
schenkt, bald überzeugen, daß sie, obgleich der Zunge er-
mangelnd , sich doch auf die eine oder andere Weise gegen-
seitig verständlich machen können. Von manchen zum
Beweis hiefür dienenden Beispielen wollen wir hier nur
ein paar der schlagendsten anführen:
Wenn man mit Aufmerksamkeit einen Ameisenhaufen
beobachtet, so wird man bald sich davon überzeugen, daß
diese rastlos thätigen kleinen Arbeiter im Stande sind, sich
gegenseitig ihre gemeinschaftlichen Angelegenheiten mitzu-
theilen. Man lege zum Beispiel Nahrungsstoff in die
Nähe eines Ameisenhaufens und beobachte das Verhalten
seiner Bewohner. Es wird natürlich einige Zeit hingehen,
ehe man den Schatz entdeckt; endlich jedoch hat ein Wan-
derer auf seinem Morgenausflug das Glück, darauf zu
stoßen. Was thut er nun? Er beginnt keineswegs,
wie ein einsam lebendes Thier, das nicht im Stande ist,
sich Hülfe zu suchen, damit, den Schatz selbst fortzu-
schaffen , sondern eilt erfreut über den Fund rasch hinweg,
stößt mit dem Kopfe an jede Ameise, die er unterwegs
trifft, und weiß auf eine für uns freilich geheimnißvolle
Weise diese nicht blos von seiner Entdeckung, sondern
auch von dem Ort derselben zu unterrichten; denn nach
kurzer Zeit sieht man Schaaren von Ameisen nach jenem
Orte hineilen, wo der Schatz liegt, und Alles ist nun Leben
und Thätigkeit, bis der Nahrungsstoff eingeheimst und im
Ameisenhaufen sicher aufbewahrt ist.
Ein anderes noch sprechenderes Beispiel von der
Mtttheilungsgabe der Insekten liefern die Bienen. Jeder-
mann weiß, daß die Bienenkönigin der Gegenstand der

größten Aufmerksamkeit für sämmtliche Arbeiter des gan-
zen Stockes ist. Da diese indessen in den verschiedensten
Richtungen und oft weit entfernt von der Kolonie wichtig
beschäftigt sind, so sollte man glauben, es wäre ihnen un-
möglich, wenigstens nicht, ehe viele Zeit vergeht, dieAbwesen-
heit der Königin zu erfahren. Um nun zu wissen, ob die
Bienen im Stande sind, eine solche Nachricht rasch zu ver-
breiten, hat man zu wiederholten Malen die Königin heim-
lich aus dem Korbe entfernt. Ungefähr eine halbe Stunde
schien die Entführung ein Geheimniß zu bleiben, aber bald
verkündete das zunehmende Summen, daß der ganze Bie-
nenkorb im Aufruhr sei, und nun sah man Legionen von
Bienen in angstvoller Hast aus- und einströmen und nach
der verschwundenen Herrscherin suchen. Sobald diese da-
gegen ihrer Residenz zurückgegeben ist, hört auch der Tu-
mult und das laute Summen aus, und Alles ist wieder
ruhig, indem Jedermann zu seiner gewöhnlichen Beschäfti-
gung zurückkehrt.
Die Flucht -es Hugo Grotins.
1621.
Moritz von Nassau, Prinz von Oranten, hatte Hol-
land bedeutende Dienste geleistet, denn durch seine geschickte
Kriegsführung und seinen Muth war die Republik vom
spanischen Joche befreit worden. Die Dankbarkeit des
Volks hatte ihm die Würde eines Statthalters bestimmt.
Die republikanische Partei jedoch, die den Plänen des
Prinzen nicht traute,, wollte, daß die Macht gethetlt und
widerruflich sei und die gesetzgebende Gewalt mächtiger
werde, als die des Statthalters. Der alte Barneveldt,
Großpensionär von Holland, stand an der Spitze dieser
Partei und der berühmte Grotius, der Pensionär von Rot-
terdam, der durch seinen Charakter, seine Beredsamkeit und
sein großes Wissen eine große Autorität in Holland war,
bildete eine mächtige Stütze. Nach dem Rathe dieser Bei-
den und aus Anlaß der Unruhen, welche die religiöse»
Seelen der Arminianer und Gomartsten veranlaßt, hatten
die Generalstaaten am 4. August ein Decret erlassen, wei-
ches den Stadtbehörden die Macht gab, Militär zur Unter-
drückung der Aufstände und Herstellung der öffentlichen
Ruhe aufzubieten. Diese Errichtung einer Stadtwache reizte
Moritz von Nassau. Er betrachtete die Gesetze der Gene-
ralstaaten, welche ohne seine Zustimmung verkündigt waren,
als eine Verletzung seiner Rechte als Statthalter. Nach-
dem er vergeblich durch Ueberredung und selbst durch Ge-
walt versucht, die neue Miliz aufzulösen, beschloß er, dieser
Opposition gegen die gesetzliche Gewalt durch einen Staats-
streich ein Ende zu machen. Einige Unordnungen in
Utrecht lieferten ihm den Vorwand. Er versammelte acht
Personen unter dem Titel der Generalstaaten, und ließ sie
ohne vorhergehende Untersuchung eine Ordonnanz ausfer-
tigen, welche die Verhaftung Barneveldt's, Grotius' und
Hoogerbeet's anordnete.
Am 18. August 1618, als Barneveldt im Hof des
Haager Schlosses war, überbrachte ihm eine der Garden
des Prinzen von Oranien, gefolgt von einigen Soldaten,
den Befehl der Generalstaaten, ihr zu folgen; man führte
ihn in ein Zimmer des Schlosses, wo man ihn einschloß>
Der Prinz schickte zu gleicher Zeit zu Grotius und
gerbeet, und ließ ihnen sagen, er habe mit ihnen zu spre-
chen: sie erschienen augenblicklich und wurden verhaftet.
 
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