Pie Illi, strikte Welt.
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sr»
Der Dorfarzt.
Vor Jahren wohnte ich in einer reizenden Gegend
des badischen Schwarzwaldes. Zur Unterhaltung hatte ich
eine kleine Oekonomie begonnen, die mir indeß mehr Sorge
als Freude machte, da die Seuche unter meinem schönen
prächtigen Schweizervieh wüthete, das ich mir mit theurem
Gelde erworben. Endlich hörte ich von einem Dorfarzt in
der Nähe, einem einfachen Bauern, der allgemein der Dok-
tor Maulwurf genannt wurde, ohne Zweifel, weil er mehre
Kranke mitMaulwürfen geheilt hatte. Ich ließ einspannen
und fuhr nach dem Orte, wo er wohnte. Eine alte Frau,
die, wie sie versicherte, Köchin, Haushälterin, Drognistin
und Krankenwärterin in einer Person war, empfing mich
mit tausend Kniren und Begrüßungen und führte mich
in ein großes Vorgemach, in welchem es wie in einer Apo-
theke roch.
1854.
Eine offne Thüre gegenüber ließ mich in das Zim-
mer sehen, in welchem der Doktor saß. Seine Aufmerk-
samkeit war so sehr in Anspruch genommen , daß er mich
nicht bemerkte.
Eine Bäurin befragte ihn wegen ihres Knaben, den
sie auf dem Schooß trug; er schmiegte sich so fest als mög-
lich an sie an, um dem prüfenden Blicke des Dorfarztes
auszuweichen. Die Mutter schwatzte in einem Athemzuge
fort, während der Doktor aufmerksam zuhörte und zwischen
den Fingern eine Prise Tabak hielt, die er ganz vergessen
zu haben schien. Er gefiel mir auf den ersten Blick durch
den wohlwollenden und klugen Ausdruck seiner Physiog-
nomie. Der Rahmen, in welchem er saß, vollendete das
freundliche Bild. Der ganze Schmuck des Zimmers bestand
aus Gläsern, porzellanenenTöpfen und Kräuterbüscheln, die
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Der Dorfarzt.
Vor Jahren wohnte ich in einer reizenden Gegend
des badischen Schwarzwaldes. Zur Unterhaltung hatte ich
eine kleine Oekonomie begonnen, die mir indeß mehr Sorge
als Freude machte, da die Seuche unter meinem schönen
prächtigen Schweizervieh wüthete, das ich mir mit theurem
Gelde erworben. Endlich hörte ich von einem Dorfarzt in
der Nähe, einem einfachen Bauern, der allgemein der Dok-
tor Maulwurf genannt wurde, ohne Zweifel, weil er mehre
Kranke mitMaulwürfen geheilt hatte. Ich ließ einspannen
und fuhr nach dem Orte, wo er wohnte. Eine alte Frau,
die, wie sie versicherte, Köchin, Haushälterin, Drognistin
und Krankenwärterin in einer Person war, empfing mich
mit tausend Kniren und Begrüßungen und führte mich
in ein großes Vorgemach, in welchem es wie in einer Apo-
theke roch.
1854.
Eine offne Thüre gegenüber ließ mich in das Zim-
mer sehen, in welchem der Doktor saß. Seine Aufmerk-
samkeit war so sehr in Anspruch genommen , daß er mich
nicht bemerkte.
Eine Bäurin befragte ihn wegen ihres Knaben, den
sie auf dem Schooß trug; er schmiegte sich so fest als mög-
lich an sie an, um dem prüfenden Blicke des Dorfarztes
auszuweichen. Die Mutter schwatzte in einem Athemzuge
fort, während der Doktor aufmerksam zuhörte und zwischen
den Fingern eine Prise Tabak hielt, die er ganz vergessen
zu haben schien. Er gefiel mir auf den ersten Blick durch
den wohlwollenden und klugen Ausdruck seiner Physiog-
nomie. Der Rahmen, in welchem er saß, vollendete das
freundliche Bild. Der ganze Schmuck des Zimmers bestand
aus Gläsern, porzellanenenTöpfen und Kräuterbüscheln, die