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Die IIin strikte Welt.

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Die Aii-er von Fövey.
Eirälluna.


Ansicht der Knicke von St. Moriz im Canton Mollis.

Zu den malerischsten Gegenden auf dem Wege von
Besannen nach Mailand gehört unbedingt St. Moriz im
Eantou Wallis. Die Brücke aus einem Bogen, die sich
kühn über die Rhone schwingt, bildet den Mittelpunkt des
Gemäldes, das auf beiden Seiten von hohen Felsen um-
rahmt wird, an welche sich auf dem linken Ufer die ersten
Häuser von St. Moriz wie Schwalbennester anklammern.
3m Hintergründe kündigt die Dent de Morcles, ein riesen-
haster Berg von pyramidaler Form, das Wallis an und
verdeckt die Aussicht auf noch höhere Spitzen, die sich dem
Auge des Reisenden bietet, je weiter er in dieses tiefe Thal
verbringt. Folgt man dem Wege, der nach dem Dorfe
Lavey führt, ans der rechten Seite des Flusses, so kömmt
mau bald durch schöne Weinberge nach einem Bade mit
heißen Quellen, das den Namen von dem benachbarten
^arfe angenommen.
Ehe diese Bäder errichtet waren, lebte in dem Dorfe
ein Brunncnmachcr Namens Johann Sordcl. Er war
^'m, sE fünfzehn Jahren Wittwer, und hatte von sechs
Indern nur noch eine Tochter, welche Charlotte hieß,
-bendrcin hatte, um das Maß deS Unglücks voll zu machen,

eine Erkältung die beiden Füße dieses Kindes gelähmt.
— Trotz dieses traurigen Zustandes war es nichts desto
weniger das schönste Mädchen im Dorfe; aber man nannte
sic gewöhnlich die gute Charlotte, weil die Vortrefflichkeit
ihres Charakters sie noch beliebter machte, als die Anmuth
ihres Gesichtes.
Das ganze Vesitzthum Johann Sordels bestand aus
einem kleinen Häuschen und einem Morgen Feld. Die
Vorderseite des Hanfes war nach Süden gerichtet und auf
dem freien Platze davor führte der gute Vater seine Toch-
ter in der schönen Jahreszeit auf einem langen Rollstuhl
umher. Charlotte beschäftigte sich mit Näthcrei oder Ar-
beiten für das Haus, so weit es ihre körperlichen Umstände
erlaubten, während ihr Vater, neben ihr sitzend, Weiden-
zweige zerschliß. Diese stille Arbeit hinderte sie nicht, mit
einander zu plaudern, und sie machten von dieser Gelegen-
heit auch recht fleißigen Gebrauch.
Sordel hatte all' seine Mittel erschöpft, um seinem
Kinde Heilung ihres Uebelszu schaffen: und auch jetzt suchte
er wieder durch unermüdlichen Fleiß ein Sümmchen zusam-
menzusparen, das ihm den Rath eines gelehrten Arztes in
 
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