Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
WM

Die Illustriere Welt.

88

in dieser Stunde!" antwortete der Alte. „Aber wo ist
er, — wo hält er sich aus?" fragte sic eifrig: „er muß
ja sehr unglücklich sein, daß Du so lange böse auf ihn ge-
wesen. Hat er Dich den» nie um Verzeihung gebeten ? Du
mußt sogleich zu ihm schicken— der arme, arme Onkel!" —
„Wir müssen erst wissen, wo er sich aufhält", sagte der
Großvater, „dann wollen wir nach ihm schicken." — „Du
weißt nicht mal, wo Dein eigener Sohn ist!" rief das Kind
voll Staunen und Theilnahme.
Und während der kleine Engel so eindringlich für sei-
nen unglücklichen Onkel Reginald sprach, war Miß H.
damit beschäftigt, seine starren, eiskalten Glieder einzuhül-
len, denn seine Seele war bereits in einer besseren Hei-
math, wo die Menschen ihn nicht mehr quälen konnten,
und wo alle Lebensmüden zuletzt Ruhe finden.
Die unheimliche Dunkelheit der Nacht nahte heran und
das unglückliche Mädchen befand sich allein bei dem Tod-
ten. Die traurige Stille wurde nur von dem Pfeifen
des Windes unterbrochen, der durch den engen Treppen-
gang sauste, in den zerbrochenen Fensterläden klapperte
oder heftig die offenstehenden Thürcn zuschlug, daß es durch
die öden Zimmer dröhnte und Schauer durch die Seele des
erschrockenen Mädchens zuckten. Welch' schmerzliches Ge-
fühl der Verlassenheit bemächtigte sich ihrer beim Anbruch
des Christtages! Wie traurig und schrecklich war nicht
ihr Zustand, als die blassen Strahlen der Mvrgensonne
die entseelte Gestalt beleuchteten, die ihr Alles im Leben
gewesen! Sie schauerte, denn sie erinnerte sich ihres Ge-
lübdes, ihm nicht den Schimpf eines Armcnbegräbnisses

anzuthun und sich nicht zur Bettlerin zu erniedrigen. Ach
wie treulich, aber auch wie fürchterlich hielt sie ihr Wort!
Den ganzen ersten Morgen saß sic, den Blick nnabge-
wandt auf den Vater gerichtet, da; ihre weitaufgerissenen
Augen betrachteten mit zärtlicher Ausdauer jeden seiner
Züge. Es war, als ob ein eigenthümlicher Zauber, dem
sie nicht zu widerstehen im Stande sei, sie an diesen Ort
fesselte; — die einbrechende Dämmerung, die dunkle Nacht
fand sie noch an seiner Seite, stumm, ohne Thränen, im
tiefsten Innern des Herzens getroffen, erfüllt von Seelen-
qual, hülflos und hoffnungslos — allein in der weiten
Welt!
Ihre scheinbar schlummernden Sinne wachten noch
mit schrecklicher Klarheit, und ihre empfängliche und
mächtige Einbildungskraft schuf sich nun in der Dunkelheit
die fürchterlichsten Bilder. Sie wagte kaum zu athmen.
Draußen auf der Straße hörte man nur Freudentöne, rasch
vorüberrollende Wagen, — und aus den gegenüberliegen-
den Häusern erklang eine muntere Musik, die auf eine fest-
liche Gesellschaft deutete; — ringsumher nur Freude und
Lust — und in ihrem Innern — welche Seelenqual! —
(Schlich folgt.) .

Das rothe Nebhuhn.
Das rothe Rebhuhn, auch Nothhuhn genannt, ist grö-
ßer, als das gemeine, im Orient und namentlich im nörd-
lichen Afrika zu Hause. Ein rother Schnabel und eben


solche Füße, ein braun und etwas röthlicher Oberleib, eine
weiße, mit einer schönen schwarzen Binde umsäumte Kehle
und ein aschgrauer Schwanz zeichnen dieses Rebhuhn, das
auch das griechische heißt, aus.
Das Nothhuhn nistet gleichfalls in den Feldern und
niederem Gehölz; sein Nest, das aus Blättern und Grä-
sern gebaut ist, verbirgt sich hinter Rasen. Beide Arten
legen jährlich die gleiche Zahl Eier, fünfzehn bis zwanzig;
die Farbe derselben ist jedoch verschieden. Die Eier des
Rothhnhns nämlich sind schmutzig weiß und roth punktirt.

Statt der großen Ebenen, welche das gemeine Rebhuhn
mit dem bescheidenen Gefieder bewohnt, hält sich bas
Nothhuhn häufig in bergigen Gegenden auf und zieht die
kälteren Landstriche den südlichen vor. Es lebt selten in
größerer Gemeinschaft und ist deßhalb schwer zu fangen und
aufzuziehen. Seine Jungen verlangen große Sorgfalt;
sie brauchen animalische Kost, wenn sie bei Kraft bleiben
sollen. In Cypern sind die Kämpfe der Männchen bclicbu
Schauspiele. Das Fleisch der Rothhühner ist noch feiner
und vortrefflicher, als das der grauen Rebhühner.

Pas rothe Ucdhuhn (kerckix rubra).
 
Annotationen