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Die Illustrirte Welt.

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Stücke sind in der ganzen Welt zerstreut und es erregt nicht
allein die Zahl der Künstler, sondern auch die Zahl ihrer
Produkte Staunen uud Bewunderung. Wie der Seiden-
wurm nichts thut und thun kann, als spinnen, bis er sich
todt gesponnen, so scheinen auch ihre ächten Künstler nur
malend gelebt und mit der Palette in der Hand gestorben
zu sein.
Jsak van Ostade, der Bruder und Schüler des
Adrian vanOstade, geb. l6I2 und gest. l645, suchte seine
Stoffe im niederen Bauernleben, faßte dieses aber mit so-
viel Treue, Lebendigkeit und Humor auf, wußte sich mit so
sinniger Vertiefung in dieses Thun und Treiben zu ver-
setzen, daß unser Auge unwiderstehlich von seinen Land-
schaften, seinen Viehstücken angezogen wird. Wer verweilte
nicht gerne bei dem vorliegenden Bilde?
Ein Wagen hält vor der Dorsschenke: der Fuhrmann
trinkt den frühen Morgentruuk, ohne den Fuß auf die Erde
zu setzen, eine Kellnerin bringt noch einen Krug Bier her-
bei; Nachbarn, welche plaudern, ein halb cingeschlafener
Hund uud pickende Hühner, wie einfach, und doch wie an-
ziehend. Was fesselt den Blick an diese alltägliche Situa-
tion? Was verleiht dem Bilde des vlämischen Malers nach
zwei Jahrhunderten noch den unendlichen Reiz? Nichts an-
ders, als die tiefe Wahrheit, die aus jedem Zuge spricht,
das ächt nationale Gepräge, das dem Ganzen aufgedrückt
ist. Wir fühlen uns mitten in die Scene hineinversetzt.
Diese Wahrheit, dieses strenge Beharren im kleinen Kreise
des Nationellen hat die Holländer groß gemacht. Begriffen
das doch unsere Dichter, unsere Künstler!

Persische Erziehung unter König Darms.
(522— 486 v. Ehr.)
Von F. Münzer.
Jede Generation kann unter sich in eine ältere und in
eine jüngere eingethcilt werden. Die ältere Generation übt,
bewußt oder unbewußt, einen erziehenden Einfluß auf die
jüngere aus, und je weniger Hindernisse dieser Erziehung
im Wege stehen, desto rascher und vollkommener ist die
Wirkung. Thun sich dazu gebildete Männer hervor, die
Theorien schaffen und zur praktischen Durchführung der-
selben Anleitung uud Mittel geben, so muß nach und nach
ein Volk auf die höchste Stufe geistiger Bildung gelangen.
Darlus, König der Perser, der Reformer seines
Reiches, ein Manu von großen Geistesanlagen und tiefer
Einsicht, der hoch über seinem Zeitalter stand, beschloß,
die geistige und zugleich auch die materielle Hebung seines
Volkes auf jede Weise zu fördern. Von dem Grundsätze
ausgehend, der Erste an Macht sollte auch der Erste an
Weisheit und Tugend sein, fing er die Reform zuerst bei
sich selbst an, und gab dadurch seinen Unterthanen ein nach-
ahmungswürdiges Beispiel. Er entwarf einen Plan zur
Prinzenerziehung, dem zu Folge der persische Thronfolger
bis zu seinem siebenten Jähre von den vornehmsten Kam-
merdienern erzogen werden, von da an bis zu seinem vier-
zehnten Jahre die Reitschule besuchen und auf die Jagd
gehen mußte, um seinen Körper abzuhärten; von dieser Zeit
begann aber die moralische Bildung durch vier Männer (kö-
nigliche Pädagogen), die aus den Persern ausgewählt wur-
den, und von denen der eine als der weiseste, der andere als
der gerechteste, der dritte als der mäßigste, und der vierte
als der tapferste galt. Der Lehrer der Weisheit hatte den

jungen Prinzen in die Geheimnisse der Lehre des Zoroaster
eiuzuführen und mit den Pflichten eines Königs bekannt zu
machen; der Lehrer der Gerechtigkeit flößte ihm Liebe zur
Wahrheit und Abscheu gegen Lügen ein; der Lehrer der
Mäßigkeit suchte ihn in der Kunst zu üben, Herr über sich
selbst zu werden, nie Sklave der Leidenschaften zu sein,
und der Lehrer der Tapferkeit mußte ihn au Furchtlosigkeit
gewöhnen und ihm den Grundsatz einprägen, daß Feigheit
Sklavensinn und Niederträchtigkeit verrathe.
Die Gewohnheit des Volkes, das nachzuahmen, was
es bei Vornehmen gewahr wird, bewirkte, daß die Prinzen-
erziehung auf die Söhne der übrigen Perser, namentlich
auf die der Großen, wenn auch in veränderter Form, über-
ging. Ehrfurcht vor den Ehrwürdigen, Bildung des Ver-
standes, Veredlung des Herzens, Abhärtung des Körpers
—dies waren vorzüglich die Zwecke der Erziehung.
Die Ehrfurcht gegen den König, zwar befohlen durch's
Gesetz, ging so weit, daß die Perser ihn als den Repräsen-
tanten der Gottheit betrachteten, diese in ihm verehrten und
deßwegen auch vor ihm niedersielen und ihn anbeteten. Nach
dem König gebührte (ebenfalls befohlen durch's Gesetz) der
höchste Grad von Ehrfurcht den Greisen und Eltern. Der
Vater war König in seinem Hause und forderte von seinen
Kindern königliche Ehren. Auch vor den Augen-seiner
Mutter durfte kein Perser es wagen, sich, ohne erhaltene
Erlaubnis, uiederzusetzen. Den Persern schien dieses Gesetz
so schön, so gerecht und heilig, daß sie sich von der Möglich-
keit, es zu übertreten, gar nicht überzeugen konnten. Einen
Vater- oder Muttermord erklärten sie geradezu ffür un-
möglich.
„Was man nicht thun darf, darf man auch nicht re-
den." Diesen schönen und herrlichen Grundsatz stellten die
Perser auf und handelten darnach. Nur au solche Orte
uud zu solchen Menschen wurde die noch unter strenger
Zucht stehende Jugend gelassen, wo sie Gutes sehen und
hören konnte. Das Lügen, das Borgen und die Undankbar-
keit waren in den Augen eines Persers die größten Laster.
Zur Bildung des Verstandes und Veredlung des Her-
zens wurde durch Unterricht in wissenschaftlichen Gegenstän-
den gesorgt. Dabei nahm man besonders Rücksicht auf Na-
turgeschichte und Dichtkunst. Die Kinder wurden auf die
wohlthätigen und schädlichen Naturprodukte aufmerksam ge-
macht, lernten wohlthätige Kräuter benützen und schädliche
meiden. Der Geschichte und Dichtkunst bediente nur» sich,
um in den jungen Herzen der Perser hohen Sinn, Thaten-
durst und den Wunsch, edlen Männern ähnlich zu werden,
zu erweckeu. Weise Lehren wurden in das Gewand der
Fabel gehüllt; Thaten der Götter und großer Männer
wurden bald mit, bald ohne Gesang den horchenden Kindern
vorgetragen. Damit aber die sanfte Stimmung und Weich-
heit, welche sie durch diesen ihren Unterricht in die Seele
dec Jugend legten, und wodurch sie den kecken Leicht-
sinn und die erwachenden Leidenschaften zu bändigen beab-
sichtigten , nicht etwa nachtbeiligen Einfluß auf den Körper
äußern möchte, waren sie zugleich besorgt, diesen zu Härten
durch Jagen (bei den Persern das Bild des Krieges), Rei-
ten, Bogenschießen, Speerwerfen, Tanzen und Wettlaufen.
Die Jagden eigneten sich am besten zur Gewöhnung
au Sturm, Regen, Hitze, Kälte, Hunger und Durst. Jeden
Monat wurden mehrere Male solche zu Pferd veranstaltet,
und dies nicht bloß auf furchtsame Thierc, sondern auch auf
Löwen, Bären rc., und ganz besondere Umstände mußten
eintreten, wenn dieselben in ihren Paradiesen (Gärten, Lust-
haine) uud nicht im offnen Wald angestellt wurden. Die
 
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