Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Pie Illustrirte Welt. 183

Und Mass drückte trotzig den Hut tiefer in die Stirne.
„Aber das Geld", wandte Rita ein, indem sie sich
ängstlich umsah, „das Geld, Tommaso? Hast du einen
Schatz gefunden? Darauf kommt es an; eine andreRettung
gibt es nicht."
„Einen Schatz gefunden?" wiederholte der arme
Bursche, „nein, das habe ich freilich nicht. Aber gibt es
einen auf Capri, so weiß ich gewiß, daß ich es bin, der
ihn findet. Doch auf andre Weise habe ich vielleicht Gele-
genheit, das Geld zusammenzubringen. Höre! Vor vierzehn
Tagen trat ich in die Dienste des Franzosen drüben in Na-
poli — nvvivu il rs (UouecRino — und verdiente mir
schweres Geld, indem ich ihnen Nachricht von dem brachte,
was die guten Engländer hier thun. Aber die Engländer
schnappten mich auf, als ich gerade im besten Zug mit die-
sem Trafik war, schimpften mich als Spion aus und droh-
ten, mich erschießen zu lasten. Doch die Sache nahm unver-
muthet eine bessere Wendung und die Engländer gaben
mich unter der Bedingung frei, daß ich für sie spioniren
sollte, d. h. ihnen Nachricht davon bringe, was die Signori
jenseits des Golfes thäten. — Ich bin eine ehrliche Haut,
wie du weißt, und setze eine ebenso große Ehre darein,
mein Wort zu halten, als dein Vater. Auf diese Weise
hatte ich den LiZnori UranLesi und den Lixnori InZIssi
mein Wort gegeben und mußte die doppelte Verpflichtung
halten. Das habe ich nun auch ehrlich zu thun gesucht.
Die Franzosen erfahren, was die Engländer thun und um-
gekehrt die Engländer, was die Franzosen treiben, und beide
bezahlen mit blanken Piastern und Dukaten: daß mir das
bereits eine hübsche kleine Summe eingebracht, kannst du
dir denken, und fällt die Erde nicht über diesem meinem
Schatz zusammen, so sind die besten Aussichten vorhanden,
daß — dein Vater seine Schuld dem alten Pepo noch zur
rechten Zeit bezahlen kann. Nun was sagst du dazu, gutes
Mädchen?"
Rita ließ ihn einige Augenblicke auf die Antwort
warten; es war, als ob sie ängstlich auf den Ruf der eng-
lischen Schildwachen lauschte, den man von einer Felsen-
höhe nach der andern über das Thal hin hörte. Endlich
sagte sie flüsternd:
„Vor drei Tagen wurde der hinkende Stefano ohne
ordentlichen Rtchterspruch erschössen: — hast du das ver-
gessen, Maso? Man sagte von ihm, daß er ein Spion
sei, und ich glaube, die Engländer hatten sichere Beweise
davon in Händen. ?er l'ainor äi Oio. Hüte dich, Tom-
maso, daß es dir nicht wie ihm geht."
„Du hast schlimme Ahnungen, die Nacht ist dunkel;
wenn die Sonne wieder aufstetgt, wirst du auf bessere Ge-
danken kommen. Auch mich überfällt zuweilen ein un-
heimliches Gefühl, aber immer fällt mir mein Glück wieder
ein und ich bin lustig und guter Dinge. Ich will dich zur
Stadt zurück begleiten. Sonntag erwarte ich dich hier zu
gleicher Stunde, dann sollst du Neuigkeiten hören."
Vor der Stadt, am Ausgange des Olivenwaldes,
trennten sich Beide. Rita eilte mit flüchtigen Schritten
heim zu des Vaters verfallener Hütte und Tommaso suchte
seine Wohnung in der Nähe der Stadt auf.
(Fortsetzung folgt.)

Chapeau rouge.
In Bordeaux, einer Hauptstadt des südlichen Frank-
reich, welche in Gestalt eines Halbmondes ander Stun-
den breiten Garonne liegt, und sich durch ihre schöne Brücke,

die auf 17 Pfeilern ruht, so wie durch ihre prächtige Dom-
kirche auszeichnet, und den größten Antheil an dem fran-
zösisch-amerikanischen Handel hat, —in Bordeaux lebte
einst ein Barbier, der sich alle Mühe gab, um einige Kun-
den zu erhaschen, aber stets umsonst nach Leuten sich umsah,
welche geneigt waren, seine Bartscheerkunst in Ruf zu
bringen. Die Folge war, daß der Barbier bald in Dürf-
tigkeit und Armuth versank, da sein geringer Verdienst
kaum zum lieben Brode ausreichen wollte.
Jahre lang hatte der Barbier sich so ärmlich hinge-
fristet, da trat ein Fremder in sein Stübchen: derselbe war
eigenthümlich gekleidet und trug einen rothen Hut auf
seinem Kopfe. Ein Franzose war es nicht. Der Bar-
bier ergriff sogleich sein Messer, um es zu schärfen, da er
es dem Kinn des Fremden gleich ansah, daß es seiner Hülfe
schon seit einigen Tagen bedurft haben mochte. Der Mann
mit dem rothen Hute musterte die Stube mit finstern
Blicken und setzte sich dann nieder. Seine ganze Erschei-
nung machte auf den Barbier einen ganz etgenthümlichen
Eindruck. Als dieser sich dem Rothhute mit dem Messer
näherte, um das Gesicht zu glätten, sprach der Fremde: „Mei-
ster Bartscheer, Ihr seid arm, wie ich gehört habe!"
„Ja wohl, sehr arm!" erwiederte der Barbier.
„Nun, Ihr könnt sofort reich sein, wenn Ihr wollt!"
rief der Rothut und setzte hinzu: „Nehmt Euer Messer,
schneidet mir flink die Kehle weg und gukt dann in meinen
rothen Hut, da liegt mein Testament, das Euch zu meinem
alleinigen Erben ernennt; habt auch keine Sorge, daß Ihr
entdeckt werden könntet! Ich bin seit einigen Tagen erst
aus Ostindien angekommen; Niemand weiß, daß ich hier-
bin und in Bordeaux wird kein Hahn darnach krähen.
Also, Bartscheer, nur her mit dem Messer und ohne Furcht
an meinen Hals!"
Der Barbier riß die Augen auf vor Entsetzen und
zitterte vor Angst. Endlich faßte er sich und sprach: „O
Herr, das kann ich nicht und wenn ich noch ärmer wäre!
Geht zu wem Ihr wollt; ich mag mein gutes Gewissen
nicht verkaufen, wollte man mich auch zum Millionär-
machen ! Ich bitte Euch darum, Herr, geht aus meinem
Hause, geht, ich rühre Euch nicht wieder an, — ich weiß
schon: der Satan versteht es, durch allerlei Verlockungen
die armen Seelen der Menschen zu verführen!"
Der Rothhut wurde durch die Bitten des Barbiers
bewegt und schien wegen seines Verlangens selbst wieder-
andrer Ansicht geworden zu sein. Er verließ die Barbier-
stube und dem Bartscheerer blieb die Sache ein Räthsel.
Nach einem halben Jahre empfing der Barbier aus
Toulouse ein Schreiben, welches ihm mittheilte, daß ein
Mann vor mehreren Monaten aus Ostindien mit einem
ungeheuren Vermögen zurückgekehrt und nun entschlossen
sei, an ihn, den Bartscheerer, die Hälfte seines Reichthums
abzutreten.
In dem Schreiben lagen zugleich die Abtretungsur-
kunden und die Werthpapiere, so daß der überglückliche
Mann keinen Augenblick über die erfreuliche Wendung sei-
nes Glückes in Zweifel sein konnte; nur das Geheimniß-
volle und der frühere Vorfall mit dem Rothhute waren
noch Dinge, welche dem Barbier einige Unruhe machten.
Später löste sich aber auch dieses Räthsel noch.
Der Rothhut war nämlich mehrere Jahre in Ostin-
dien gewesen, hatte sich ein ungeheures Vermögen erwor-
ben und kehrte nach Frankreich zurück, um seine Tage dort
in Ruhe hinzubringen; bei seiner Rückkehr wurden ihm
aber Mittheilungen gemacht, welche ihm das Herz zerrissen
 
Annotationen