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Die III» strikte Welt.

mer und Leiden abgezehrt schien und kaum mehr gehen
konnte. Leon eilte herbei und küßte Ediths Hand' der alte
Mann warf sich in Rosenfelds Arme. Eine der Wachen
rief, indem sie Karl am Kragen faßte: „Im Namen des
Gesetzes verhafte ich Euch, Louis Rigardin, eigentlich Louis
Krubingen und neuerdings fälschlich Karl Rosenfeld ge-
nannt."
Der junge Mann leistete keinen Widerstand und stellte
sich ohne ein Wort zu reden, neben den stummen Vater,
den falschen alten Krubingen.
„Träume ich? wo bin ich? was soll das bedeuten?
Wer ist dieser Fremde, der mich umarmt — sprecht? Wa-
rum fallen Diener der Gerechtigkeit in das Haus des ober-
sten Raths von Gent?" rief der Wechsler unzusammen-
hängeiid.
„Ich bin dein Bruder Paul!" rief der Fremde. „Ich
habe das gethan. Wenn ich erzähle, was ich Alles von
diesen beiden betrügerischen Verbrechern erlitten, so wirst
du mein Eindringen entschuldigen. Dank diesem edlen
jungen Manne, daß ich noch lebe."
Nun begann eine Scene, die wir nicht zu beschreiben
unternehmen wollen. Der alte Rosenfeld sank halb ohn-

mächtig auf einen Stuhl. Edith und Leon unterstützten
ihn. Die Wache brachte die beiden Gefangenen weg, nach-
dem der falsche Rosenfeld noch gestanden, daß das Gestoh-
lene in seinem Zimmer verschlossen sei.
(Schluß folgt.)
Blätter ans Natur und Festen.
Eine Beschwörung. Peter und Johann Car-
javal, welche ungerechter Weise verurtheilt und nach dem
Richtplatz geführt wurden, forderten König Ferdinand VI.
von Spanien auf, in dreißig Tagen vor Gottes Richter-
stuhl zu erscheinen. Der König lachte darüber, aber ob-
gleich er bis zum Tag vorher scheinbar völlig gesund geblie-
ben, starb er am dreißigsten Tage. Mariana versichert, daß
die Geschichte strengste Wahrheit sei.
— 8u b L. os a. Dieser Ausdruck, den man häufig statt
„unter dem Siegel der Verschwiegenheit" gebraucht, ist al-
ten Ursprungs. Schon bei den Römern war die Rose ein
Bild der Verschwiegenheit: der Wirth hängte sie, nach
- Ovid, als Symbol über dem Gasttische auf, damit jeder
Gast verschweigen solle, was hier gesprochen wird.

Heinrich Zschokke.


Der berühmte und beliebte Erzähler Heinrich Zschokke,
von dem wir unfern Lesern, denen er durch seine Novel-
len oder die Stunden der Andacht lieb geworden, ein
ähnliches Portrait geben, ist zu Magdeburg 1771 ge-
boren, kam aber frühzeitig nach der Schweiz, wo er sich
bald einbürgerte. Kurze Zeit war er Professor der Philo-
sophie in Frankfurt an der Oder gewesen. Er steht mit
seinen früheren Leistungen noch ganz in der Sphäre der
walterscoitischen Romantiker, während er mit seiner
spätern in die unmittelbare Gegenwart eintrat. Zschokke
hat eine vielseitige Thäligkeit entwickelt, und wenn auch
seinen Arbeiten vielfach Gründlichkeit, Gediegenheit und
Tiefe mangelt, so hatten sie doch großen praktischen Werth
und wirkten auf ihre Zeit. Seine Erzählungen, Novellen
und Romane sind klar und lichtvoll geschrieben, wovon
wir im Tagebuch des Vikars ein Beispiel gegeben;
sie offenbaren ein edles und wohlwollendes Gemüth und
lassen um so mehr bedauern, daß er sich nicht genug sam-
meln konnte, um ihnen einen höher» Werth und größere

Abrundung zu geben. Sein Goldmacherdvrf, das in un-
zähligen Exemplaren verbreitet ist, und die Branntwein-
pest sind dadurch merkwürdig, daß sie das Volk aufklärten
und unendlich vielen Nutzen stifteten. Auch im Gebiete der
Geschichte hat er sich versucht und eine „Geschichte des baye-
rischen Volks" und „der Schweiz" geschrieben, welche auf
die Bedürfnisse der Gegenwart viele Rücksicht nehmen und
eine klare und lichtvolle Darstellung haben, aber den An-
forderungen echter Historie nicht reckt entsprechen wollen.
Seine Selbstschau gewährt durch interessante Mittheilun-
gen und gute Darstellung ein schönes Bild von seinem Le-
ben und den Zeitverhältnissen , in denen er sich bewegte,
und läßt besonders seinen eigenen reinen Charakter deut-
lich hcrvortreten. Uebrigens ist Zschokke auch der Verfasser
der Stunden der Andacht, welche nächst der Bibel wohl das
verbreitetste Andachtsbnch sein dürften, jedoch dasChristen-
thnm zu sehr verflüchtigt, aber auch manches Herz er-
baut und getröstet haben. Zschokke starb am 27. Juni
1848 auf seinem Landgute Blumenhaide bei Aarau.
 
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