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27^ Die Iliu strikte Wrlt.

oberer erbaut und von Heinrich I. erweitert, der es zur
Residenz erhob, hat einen Flächenraum von 12 Acres. An
zwei Haupthöfe und einen gewaltigen runden Thurm rei-
hen sich eine Menge anderer Theile, Batterieen und kleinere
Thürme, um das bizarrste Bauwerk zu bilden, das man sich
denken kann. Das Ganze ragt wolkenan, eine 1870
Fuß lange Terrasse beherrscht die Gegend und gewährt
einen wahrhaft königlichen Spaziergang. In dem untern
thurmbesetzten Ward (Hof) steht die St. Georges-Capelle mit
dem Collegium. In dieser um ihres Baustyls willen höchst
merkwürdigen Kirche sind die Begräbnißstätten der Könige
und Königinnen; ein Heer interessanter Schnitzwerke, das
Abendmahl von West und ein schönes Glasfenster, sowie
Greens Orgel sind höchst sehenswerthe Zierden dew Kirche.
Eine herrliche Aussicht genießt man auf der Höhe des vom
Gouverneur bewohntenRound Tower. Die Staatszimmer
sind von besonderem Interesse, namentlich in der östlichen
Fronte, welche sich mit ihrer blumengeschmückten Terrasse
herrlich ausnimmt, und aus der der Königsthurm wie eine
Kirche hervorragt. Im 120 Fuß hohen Brunswik Tower
ist das Speisezimmer der Majestät, das mit Gemälden der
ersten Meister geschmückt ist. Das ganze Schloß ist auf's
Glänzendste möblirt.. Dreimal in der Woche darf das Pub-
likum die Staatszimmer besuchen. An das Schloß schließen
sich der große und der kleine Park; in ersterem zeichnet
sich ein Rtesenspazierweg, „the long walk", drei Meilen
lang, aus.

Wie Tausch Händler am Senegal.
Erz ähl nn g.
I.
Es war in den letzten Tagen des Monats August
und der schöne Senegal, der durch die Regen der vor-
hergehenden Monate angeschwollen, begann wieder in
sein Bett zurückzutreten. Die Felder, welche aus dem
Wasser emporstiegen, waren noch mit einem feuchten
Schlamme überzogen. Die Heerde», die die Ueberschwem-
mung auf die Berge getrieben, stiegen von allen Seiten
wieder zum Flusse herab, und die Elephanten zeigten sich
truppweise am Saum des Wäldes, bald ein wildes Ge-
schrei ausstoßend, bald mit ihren Rüsseln die Zweige ver-
jüngen Palmbäume abbrechend.
Die Vegetation stand in voller Pracht. Die Eben-
holzbäume, die Mahots und Apen, in deren Zweigen
sich Affen und Vögel schaukelten, bildeten längs dem
Flusse eine Art beweglichen Saumes, durch welchen
sich gigantische Blumen in bunten Farben woben. In
der Ferne breiteten sich Prairieen aus, deren Gras so
hoch war, daß ein Mann zu Pferd ganz darin verschwin-
den konnte. Da und dort sah man die spitzigen Dächer
eines von Pallisaden umgebenen Dorfes und Almadieen
(Negerboote) mit baumwollenen Segeln schwammen die
Zuflüsse des Senegal herab, alle nach einer Art Bay
ihre Richtung nehmend, die von weitem schon durch zwei
Galgen angekündigt war, an welchen Kürbisse von ver-
schiedener Größe hingen.
Hier war ein von den Negern für den Tauschhandel
mit Elfenbein, Gummi, Gold und Sclaven improvisir-
ter Markt. Eine große Barke mit Verdeck, von unge-

fähr hundert Tonnen, hatte in der Mitte des Flusses
Anker geworfen und eine weiße Flagge aufgezogen. Sie
wurde von Kapitän Jean Lescot commandirt, der von der
Compagnie des Senegal das Recht gekauft hatte, bis
Mankanet Handel zu treiben. Da er sein Schiff, daS
den Senegal nicht hinauffahren konnte, in Saint-Louis
lassen mußte, so hatte er diese große Barke gebaut, mit
der er bis zur Mündung des Flusses gelangt war, wo
er den Tauschhandel mit den Ualoss, Fulis und Man-
dingos eröffnete.
Die Kaufleute aus dem Innern waren auf die Nach-
richt von seiner Ankunft an den Senegal herabgekommen:
die Einen mit Heerden von Sclaven, welche zwei und
zwei mit einem ledernen Riemen gebunden waren und
einen Elephantenzahn auf dem Kopfe trugen, die Andern
mit Kameelen, welche mit Gummi und Bomba (Sandel-
holz) beladen waren; noch Andere mit Eseln, die in
doppelten Körben Früchte, Palmwein und Mais führten.
Jean Lescot vervollständigte in wenigen Tagen seine
Ladung und erklärte dann, daß er nur noch gegen Ghin-
gan oder Goldstaub Waaren austauschen werde. Er be-
gab sich demzufolge zu dem Häuptling der umliegenden
Dorfschaften, um ihm seinen Entschluß anzuzeigen, und
ließ das Canot, das er an's Land gezogen, unter der
Aufsicht zweier Matrosen und eines alten Chirurgen Na-
mens Jollard zurück.
Dieser hatte das Fort Saint-Louis, wo er gewöhn-
lich seinen Beruf ausübte, nur im Interesse der Wissen-
schaft verlassen, um die blloru ulrieunn zu vervollständi-
gen, an der er seit zehn Jahren arbeitete. Es war einer
jener praktischen Philosophen, denen das stille Studium
der Natur den naiven Ktnderglauben und die Gemüths-
ruhe der Heiligen verliehen; eine einfache, offene Seele,
in der sich keine böse Neigung einnisten konnte. Als der
Kapitän fort war, wollte auch er mit der Botanisir-
büchse auf der Schulter und der Sichel in der Hand sich
auf den Weg machen.
„Sie wollen sich wieder Heu sammeln, Pöre Con-
solation?" sagte der Aeltere der Matrosen lachend.
Der Name Pore Consolation war dem alten Chi-
rurgen von den Kranken wegen seiner liebevollen und
trostreichen Pflege gegeben worden. Er schlug den Matro-
sen freundlich auf den Arm und sagte:
„Das setzt dich in Erstaunen, Etienne Riou, du bist
freilich nicht hierhergekommen, um Heilkräuter zu suchen,
nicht wahr?" — „Wahrhaftig nein!" versetzte der zweite
Matrose; „mein Vetter und ich, wir ziehen den Tausch-
handel der Botanik vor, wie Sie das Geschäft da zu
nennen pflegen."
Der Chirurg schüttelte den Kopf.
»Ich fürchte, Ihr liebt den Handel nur zu sehr,"
fuhr er fort. — „Wie das?" — „Vergesset nicht,
daß Euer Kapitän allein das Recht hat, hier Handel zu
treiben . . . ." — „Bah!" unterbrach ihn Michel
Loriol, „nur die Pfarrer nehmen die Sache so genau;
die armen Teufel dürfen doch die Brocken sammeln, wenn
ihre Herren gegessen haben." — „Ja," sagte Jollard;
„aber nach den Brocken nimmt man den ganzen Laib;
und wenn man den Teufel in's Vorzimmer läßt, so ist
er bald Herr des ganzen Hauses."
Er ging bei diesen Worten; Etienne zuckte die Achseln
und sagte ironisch:
„Der Pore Consolation hat immer eine Salbe auf
das Gewissen Anderer zu schmieren; aber man treibt
 
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