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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 22.1874

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Heft 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.62248#0217
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UeipÄiü urul

InSlurm und Wellern.
Roinau
V0tt
LmUie TLZtillLyer.

U I^ s ist unglaublich —
^^^/eine Undankbarkeit,
die mich auf immer
davon zurückbringen könnte,
noch wieder etwas für ir-
gend einen Menschen zu
thun. Ich bin empört, von
Grund meiner Seele em-
pört!"
Tiefe Worte, von sehr ver-
ständlichen Gesten begleitet,
entströmten den Lippen einer-
jungen Fran, die, wäh-
rend sie solche hervorstieß,
im Zimmer auf uud ab
schritt. Es war ein geräumi-
ges, geschmackvoll mit Com-
fort uud Luxus ausgestatte-
tes Zimmer, dessen einziges,
breites Fenster weit geöffnet
die milde, balsamische Som-
merlnft hereinströmen ließ.
Ja, dieses Fenster glich
auf's Täuschendste einem mit
Grün bekränzten Gemälde.
Ter Epheu, der die äuße-
ren Mauern des Hauses be-
deckte, bildete mit seinen gra-
ziös verschlungenen, zwang-
los hängenden Ranken einen
dichten Kranz darum, iu
dessen Rahmen der Hinaus-
schweisende Blick die köstlichste,
aus Feld, Wald und Wiese
gemischte Landschaft vor sich
sah, und un Hintergründe die
im tiefen Azurblau spiegel-
klar beiliegende Ostsee.
Tie junge Frau, von
ihrer Entrüstung zu sehr in
Anspruch genommen, hatte
für das liebliche Bild keinen
Blick. Sie warf die lange
Schleppe ihres enganschlie-
ßenden ,' die schlanke Ge-
stalt vortheilhast hervorheben-
den Neitlkeides von schwar-
zem Tuch über den Arm und
trat mit den, in festen Stie-
felchen steckenden, kleinen
Füßen derb auf den wei-
chen Teppich. „Mir das zn
bieten," fuhr sie heftig auf
Jllustr. Welt. XXII. 8.

Viola. (S. 234.)


und ab schreitend in ihren
zornigen Ausrufen fort, bis
sie plötzlich vor einem be-
quemen Lehnsessel anhielt,
in welchem eine ältliche,
ziemlich korpulente Dame,
mit ein wenig verschwom-
menen Gesichtszügen, sich
eben phlegmatisch wie zu
einer Erwiederung empor-
richtete.
„Ich bitte Dich, Tante,"
schnitt ihr jedoch die jüngere
Dame ungeduldig das Wort
ab, „sage uichts. Du
weißt, daß ich Recht habe.
Du weißt, wie wenig sym-
pathisch, um uicht zu sagen
— unangenehm, mir stets
die Person war. Dennoch
— aus Mitleid habe ich
sie in meiner Nähe gedul-
det, und nun — dieser Un-
dank!"
„Aber, so freue Dich doch,
mein Kind, daß Du auf
solche Weise von ihr be-
freit wirst." Die Tante be-
gleitete diese Worte mit
einem Blick, der theils Un-
behagen über diese unbe-
queme Störung ihrer Ruhe
verrieth, theils sich mit
beinahe ängstlichem Ausdruck
an die erregten Züge der
jüngeren Dame heftete. Letz-
tere, die sein geschwungenen
Brauen zusammenziehend,
trat fest mit dem Fuße auf.
„Die Art uud Weise ist
es ja eben, die mich auf-
bringt," rief sie ungeduldig.
„So über Hals und Kopf
mein Haus zu verlassen, das
ist in der That noch nicht
dagewesen. Die — die
Person wird doch nicht etwa
glauben," fuhr sie daun uach
einer Pause kurzen Nach-
denkens plötzlich fort, „daß
ich zu ihrer fluchtartigen Ab-
reise ihr gar noch meine
Equipage zur Verfügung
stellen soll. Da wollen wir
denn doch vorbeugen."
Nasch eilte daraus, wäh-
rend die alte Dame mit
einem Seufzer schweigender
Resignation in ihren Stuhl
zurücksank, die Sprechende
an die Klingelschnur und zog
heftig daran.
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