Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 22.1874

DOI Heft:
Heft 13
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.62248#0354
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

ItyeuunlLMNÄigsttr Ayhrgllng.

13. Oeft.

^§A' Dtnttsurt. Heilig uiul Hien.

Eine StudenLenlieöschast-
Erzählung
von
—Pascal David.
"HD^ias Korps Alsatia in E.
feierte sein dreißigjähriges
Stiftungsfest. Von Fern
und Nah waren die alten Mitglieder
herbeigeströmt, um das Wiegenfest
der Couleur, der sie einst als flotte
Studenten freudig und begeisterungs-
voll angehört, durch ihre Gegen-
wart/zu verherrlichen. Der erste
Tag "mit den: großen offiziellen
Kommers war vorüber, ein plötzlich
eiugetretenes Regenwetter hatte den
projektirten Ausflug nach dem rei-
zenden Sangerthal vereitelt und so
saßen denn alle Festgenossen in
traulichem Gespräch auf der Kneipe.
Der zweite Tag einer solchen Er-
innerungsfeier ist entschieden der
schönste; die stürmische Freude und
Aufregung des Wiedersehens hat
einer ruhig weihevollen, gehobenen
Stimmung Platz gemacht, die frische
Poesie des Burschenlebens übt wie-
der ihren ganzen gewohnten Zauber
aus die alten Mitglieder aus, so
"manche schon halb verwischte Er-
innerung aus den schönen, sorgen-
losen Tagen ihres ehemaligen Stu-
dentenlebens ersteht in frischer Kraft
vor der Seele, fast wäre man ver-
sucht zu glauben, die alten Herren
hätten vergessen, daß sie schon lange
den Studentenjahren entrückt sind,
so fröhlich und ungezwungen neh-
men sie am allgemeinen Jubel Theil.
So war es auch hier. In bunter
Reihe saßen die alten Mitglieder
zwischen den jungen Studenten,
fröhlicher Kommersgesang wechselte
mit anregender Unterhaltung, und
aufmerksam lauschten die Füchse den
reizvollen Erzählungen aus alten,
halb verklungenen Zeiten. Nur zwei
alte Herren am oberen Ende der
Tafel nahmen seit einiger Zeit an
der allgemeinen Fröhlichkeit keinen
Antheil mehr, in leises Gespräch
vertieft betrachteten sie einige Bilder,
während ein trauriger, erinnerungs-
voller Zug den Ausdruck der Freude
auf ihren Gesichtern gänzlich ver-
wischt hatte. „Ihr alten Herren,"
rief plötzlich der Senior, „was
werden denn da für heimliche Ge-
schichten verhandelt? Ihr habt doch
hoffentlich leine Pümpe mehr hier
Sllustr. Welt. XXII. 13.


Der Savoyarde in Polen. (S. 371.)

stehen und fürchtet von irgend einem
blutdürstigen Philister erkannt und
verfolgt zu werden?"
„Ach, Kinder," erwicderte einer
der Angeredeten, ein renommirter
Arzt aus der Residenz, „durch den
Anblick der Bilder hier bin ich
plötzlich wieder an eine traurige Ge-
schichte erinnert worden, die vor
zwanzig Jahren, als ich mein Fuchs-
semester in der Alsatia verlebte, hier
spielte und einen meiner besten und
liebsten Korpsbrüder betraf."
„Erzählen, erzählen!" rief die
ganze Schaar und schon machten
die beiden Porträts, welche ein rei-
zendes Mädchen in kecker Pagen-
tracht und einen jungen schönen
Studenten mit den Verbindungs-
abzeichen der Alsatia darstellten, die
Runde um den langen Tisch und
wurden von Allen neugierig be-
trachtet.
Vergebens weigerte sich der alte
Herr, er mußte dem allgemeinen
Drängen uachgeben.
„So hört denn aufmerksam zu,"
begann er, nachdem einer der Füchse
ihm die lange Pfeife und das mäch-
tige, mit buntem Wappen verzierte
Stammseidel mit frischer Füllung
versehen hatte. „Es war im Herbst
18.., als ich aus dem flotten
Heidelberg nach E. übersiedelte, um
mein drittes Semester zu beginnen.
Die besten Vorsätze begleiteten mich,
gar schwer lastete die Erinnerung
an so manch' geschwänztes Kolleg
an so viele versäumte Repetitorien
auf meiner Seele, ich wollte nun
mehr ganz den flotten Burschen
ausziehen und mich an'S Ochsen
geben, wie der Student poetisch das
Studium bezeichnet. Doch vorläufig
kam's noch nicht so weit. In E.
traf ich verschiedene Bekannte aus
meinem ersten Semester und ließ
mich von ihnen bewegen, in unser
Korps einzuspringen. Das mächtig
wogende Burfchenlcben fesselte gänz-
lich mein Interesse und bald fühlte
ich mich in diesem Zirkel so heimisch,
als hätte ich mein ganzes Leben
darin zugebracht. Vor Allem wa-
ren es zwei Freunde, zu denen ich
mich von ganzer Seele hingezogen
fühlte und in Folge dessen bald so
ausschließlich mit ihnen verkehrte,
daß unsere Bekannten uns im
Scherz das Kleebatt zu nennen
pflegten. Es war unser altes Haus-
und Ehrenmitglied, Doktor Röder,
und ein gewißer Felix von Alten.
49
 
Annotationen