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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 6.1920

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Krauss, Friedrich S.: Der Doppelgängerglaube im alten Ägypten und bei den Südslawen: eine Mitteilung
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https://doi.org/10.11588/diglit.25677#0399
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Völkerpsychologische Beiträge

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Völkerpsychologische Beiträge.

Der Doppelgängerglaube im alten Ägypten und bei den

Südslawen.

Eine Mitteilung von FRIEDRICH S. KRAUSS.

Was immer der Psychoanalytiker nach der Methode Freuds, sei es
bei nervös belasteten Kranken oder in der schöngeistigen Literatur
der Neurotiker, entdeckt und feststellt, für alles und jedes findet sich
in der Folkloristik eine uralte Bestätigung aus dem Gebiete des Volks-
glaubens, Volksbrauches und Volksrechtes. Den Völkerglauben erzeugen in
seinen Uranfängen die Wahnvorstellungen der Neurotiker oder neurotischer
Dichter. Das weitere zum Ausbau des Wahnes zu einer tabuartigen Ver-
pflichtung als einer Richtschnur fürs Leben besorgen diejenigen, die einen
greifbaren Vorteil an der Festlegung der mit einem Glauben oder Recht
verbundenen Vorteile einer Weltanschauung und gesellschaftlichen Ordnung
ziehen. Die Uranfänge sind überall die gleichen, weil sie überall unter den
gleichen gegebenen günstigen Bedingungen und Verfassungen entstehen, nur
in ihren Ausgestaltungen weichen sie voneinander ab, weil sie von der
Kultur oder Macht oder dem Reichtum und der Zeitdauer des Bestandes
einer Gruppe abhängen. Die uns in den Staatsreligionen auffallende Man^
nigfaltigkeit der Erscheinungen der Riten läßt sich darum auf einige wenige
Urvorstellungen der Menschheit zwanglos zurückführen, und weil der Vor-
gang allüberall derselbe ist, hat man folkloristisch für jedes Volk dieselben
Nachweise als Belege beizubringen, die aber in ihrer Massenhaftigkeit ge-
wöhnlich den Leser sehr stark ermüden und einem sogar das Studium der
Ethnologie zuweilen verleiden könnten.

In vielen Fällen genügen einige wenige Belege aus verschiedenen geo^
graphischen Gebieten zur Klarstellung einer Anschauung, doch eben hierin
hapert es gewöhnlich, weil weder die Psychoanalytiker ausreichend mit der
oft versteckten, ihnen nämlich schwer zugänglichen folkloristischen, noch die
Folkloristen und Ethnologen mit der Arbeit der Psychoanalytiker aus-
reichend vertraut zu sein pflegen,

Als ich selber z. B. im Jahre 1886 meine Monographie: »Sreca,
Glück und Schicksal im Volksglauben der Südslawen« schrieb und ver-
öffentlichte, brachte ich darin zu dem von mir ermittelten Glauben der Süd-
slawen reichlich Parallelen aus anderweitig slawischem, germanischem, roma-
nischem, hellenischem, indischem usw. Glauben bei. Die große Übereinstim^
mung zwischen der Sreea, derTyche und der Fors-Fortuna war und
ist handgreiflich auffällig und und doch lehnte ich die — einige Jahre da-
nach von einem Gelehrten in Leipzig angenommene — Wanderung des
Glaubens von den Griechen und Römern zu den Südslawen ab und hielt
an der Ursprünglichkeit des südslawischen fest, In dieser Auffassung be-

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