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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 6.1920

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Pfister, Oskar: Die Entwicklung des Apostels Paulus: eine religionsgeschichtliche und psychologische Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.25677#0255
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Die Entwicklung des Apostels Paulus

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Die Entwicklung des Apostels Paulus.

Eine religionsgeschichtliche und psychologische Skizze.
Von Dr. O. PFISTER, Pfarrer in Zürich,

Über Paulus ist so viel geschrieben und geredet worden, daß
es überflüssig scheinen mag, diese Riesengestalt wiederum
vorzuführen1 *. Wenn ich es dennoch wage, den geistesmäch3
tigen Apostel zu besprechen, so geschieht es keineswegs mit dem
Anspruch, seinen Entwicklungsgang restlos verständlich zu machen.
Allein mir scheint es, daß weder die bisherige Verwertung des
religionsgeschichtlichen Materials, wie sie wenigstens vorherrscht, ge-
nügt, noch die psychologische Methodik, deren man sich bediente,
strengeren Anforderungen standhält. Der letztere Fehler scheint die
Unklarheit und Unsicherheit in ersterer Hinsicht verschuldet zu
haben,- denn wie kann das religionshistorische Problem gelöst werden,
solange die Religionspsychologie uns die Gesetze der Religions*
bildung vorenthalten hat? Was meine Untersuchungen von allen
üblichen unterscheidet, ist hauptsächlich der Umstand, daß ich mich
beständig auf religionspsychologische Beobachtungen an lebenden
Menschen stütze.

In einem vorbereitenden Teile prüfe ich zunächst die historF
sehen Determinanten, die für Paulus in Betracht kommen, noch ohne
Rücksicht auf ihre Kausalbeziehung. Nachdem wir uns sodann über
einige psychologische Voraussetzungen verständigten, treten wir an
das eigentliche Problem heran.

I. Mögliche historische Determinanten noch abgesehen von
ihrem Einfluß auf Paulus.

A. Jüdische Determinanten.

a> Vor seiner Bekehrung.

Paulus ist in erster Linie Jude, »beschnitten am achten Tage,
aus dem Volke Israel, aus dem Stamme Benjamin, Hebräer von
Hebräern, ein gesetzestreuer Pharisäer, ein eifriger Verfolger der

1 Vorstehende Arbeit wurde im Herbst 1913 einem theologischen Kreis

in Zürich vorgetragen.

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