Die triebhaft-affektiven Momente im Zeitgefühl 47
können wir die Richtung der Vergangenheit als das Entscheidende für
die Erwerbung der Zeitvorstellung hervorheben. Beachtenswert sind in
diesem Zusammenhänge gewisse Volksbräuche, die Röheimd analytisch
untersucht hat. Den verbreiteten Aberglauben, Gegenstände in magischer
Absicht hinter den Rücken zu werfen, klärte er durch die Annahme
auf, daß derselbe, ähnlich wie es auch in Träumen, Riten usw. der Fall
ist, die Zeitlichkeit mittels des Räumlichen darstelltZ
„Was hinter uns ist, das ist vergangen, das ist Vergangenheit. Die
Krankheit hört auf, ist vergangen, wenn man sie [in geeigneter Ver-
körperlichung] nach hinten wirft. Mit zurückgeworfenen Steinen richtet
der vom Begräbnis nach Hause kehrende Mann des Volkes eine Schranke
auf zwischen dem lebendigen Leben und den eigenen, den Toten be-
treffenden Vorstellungen [der Seele des Toten]" (loc. cit. S. 25/)).
Zu dieser gewiß zutreffenden Deutung Röheims ist noch zu bemerken,
worauf er übrigens nebenbei hinwies, daß die angeführten magischen
Handlungen offenbar die Defäkation symbolisieren, die nach hinten ge-
worfenen Gegenstände also als Kot aufzufassen sind. Wir finden demnach
eine gemeinsame Symbolik für Kot und das Vergangene, die Vergangenheit,
in guter Übereinstimmung mit unseren Erörterungen.
Der Werdegang der Vorstellung „Vergangenheit" beim Kinde wurde
bereits von Spielrein analytisch untersucht: „Das Kind kennt zuerst bloß
Gegenwart und unmittelbare Zukunft, die es wahrscheinlich bloß durch
die Dauer voneinander trennt! Es ist ein Dasein. Mit der Zeit entwickelt
sich die Vorstellung des Nichtdaseins. Dieses Nichtdasein wird zuerst
durchaus räumlich gedacht, weit, weit weg, fort. In der Vorstellung des
Nichtdaseins liegt der Keim für den späteren Vergangenheitshegriff."3 Noch
vorher, mit anderen Worten: Die Idee der Vergangenheit dürfte das Kind
durch die Feststellung des Verschwindens gewinnen.4 Nehmen wir
hinzu, daß nach den neuesten Forschungen von Abraham^ (auf der von
1) „Adalekok a magyar nephithez" II („Beiträge zum ungarischen Volksglauben").
Budapest 1920.
2) Vgl. hiezu Eisler: „Das ,Zeitliche Geschehen' wird im Traume durch ein
Räumliches dargestellt." Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse V, 1919, S. 298.
Ferner: Spielrein, a. a. O. S. gi6.
g) Dementsprechend ist „die Vergangenheit im Traume keine richtige Vergangenheit,
sondern ein Nichtdasein, respektive ein Nichtmehrdasein" (a. a. O. S. gi6).
4) Die von Freud erwähnten Träume von Abreisen als Todesdarstellung: Dar-
stellung des Zeitlichen mittels des Räumlichen (Spielrein, S. gog).
g) Siehe „Entwicklungsgeschichte der Libido", insbesondere S. lg ff. u. 86 f.
können wir die Richtung der Vergangenheit als das Entscheidende für
die Erwerbung der Zeitvorstellung hervorheben. Beachtenswert sind in
diesem Zusammenhänge gewisse Volksbräuche, die Röheimd analytisch
untersucht hat. Den verbreiteten Aberglauben, Gegenstände in magischer
Absicht hinter den Rücken zu werfen, klärte er durch die Annahme
auf, daß derselbe, ähnlich wie es auch in Träumen, Riten usw. der Fall
ist, die Zeitlichkeit mittels des Räumlichen darstelltZ
„Was hinter uns ist, das ist vergangen, das ist Vergangenheit. Die
Krankheit hört auf, ist vergangen, wenn man sie [in geeigneter Ver-
körperlichung] nach hinten wirft. Mit zurückgeworfenen Steinen richtet
der vom Begräbnis nach Hause kehrende Mann des Volkes eine Schranke
auf zwischen dem lebendigen Leben und den eigenen, den Toten be-
treffenden Vorstellungen [der Seele des Toten]" (loc. cit. S. 25/)).
Zu dieser gewiß zutreffenden Deutung Röheims ist noch zu bemerken,
worauf er übrigens nebenbei hinwies, daß die angeführten magischen
Handlungen offenbar die Defäkation symbolisieren, die nach hinten ge-
worfenen Gegenstände also als Kot aufzufassen sind. Wir finden demnach
eine gemeinsame Symbolik für Kot und das Vergangene, die Vergangenheit,
in guter Übereinstimmung mit unseren Erörterungen.
Der Werdegang der Vorstellung „Vergangenheit" beim Kinde wurde
bereits von Spielrein analytisch untersucht: „Das Kind kennt zuerst bloß
Gegenwart und unmittelbare Zukunft, die es wahrscheinlich bloß durch
die Dauer voneinander trennt! Es ist ein Dasein. Mit der Zeit entwickelt
sich die Vorstellung des Nichtdaseins. Dieses Nichtdasein wird zuerst
durchaus räumlich gedacht, weit, weit weg, fort. In der Vorstellung des
Nichtdaseins liegt der Keim für den späteren Vergangenheitshegriff."3 Noch
vorher, mit anderen Worten: Die Idee der Vergangenheit dürfte das Kind
durch die Feststellung des Verschwindens gewinnen.4 Nehmen wir
hinzu, daß nach den neuesten Forschungen von Abraham^ (auf der von
1) „Adalekok a magyar nephithez" II („Beiträge zum ungarischen Volksglauben").
Budapest 1920.
2) Vgl. hiezu Eisler: „Das ,Zeitliche Geschehen' wird im Traume durch ein
Räumliches dargestellt." Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse V, 1919, S. 298.
Ferner: Spielrein, a. a. O. S. gi6.
g) Dementsprechend ist „die Vergangenheit im Traume keine richtige Vergangenheit,
sondern ein Nichtdasein, respektive ein Nichtmehrdasein" (a. a. O. S. gi6).
4) Die von Freud erwähnten Träume von Abreisen als Todesdarstellung: Dar-
stellung des Zeitlichen mittels des Räumlichen (Spielrein, S. gog).
g) Siehe „Entwicklungsgeschichte der Libido", insbesondere S. lg ff. u. 86 f.