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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 11.1925

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Heft 3
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Hermann, Imre: Zwei Überlieferungen aus Pacals Kinderjahren
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https://doi.org/10.11588/diglit.36528#0362

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Zwei Überlieferungen aus Pascals ELinderjahren
Von Dr. Imre Hermann (Budapest)
Die kritiklose Mitteilung gesammelten Materials ist nicht immer eine zu ver-
achtende wissenschaftliche Methode; es können so Daten aufbewahrt werden,
welche die durch eine Theorie oder einen Standpunkt gebundene Auswahl
verwerfen würde. In älteren Biographien kann man Überlieferungen finden,
weitläufig erzählt, mit welchen eine neuere Biographie vielleicht nichts anzu-
fangen wüßte, da sie keine beglaubigten Tatsachen beschreiben. Analytisch können
manchmal solche Überlieferungen von verschiedenen Seiten aus verwertet
werden. Denn hier ist nicht die einzige Frage, ob etwas wahr oder falsch
sei; hat man es nur mit Phantasien zu tun, so wird der Sinn dieser Phantasien
auch mitsprechen dürfen.
Reuchlin beginnt die Lebensbeschreibung Pascals ^ mit folgender phantastisch
anmutenden Erzählung. Es soll dies Stück Wort für Wort wiedergegeben werden;
der Kundige wird nicht vieler Erläuterungen dazu benötigen.
„Die Alten ließen in ihren Mythen die Wiege ihrer Götter, ihrer Heroen,
ihrer großen Männer von feindseligen, neidischen Göttern und Gewalten, von
Schlangen und Ungeheuern bedroht werden.— Auch Pascals Wiege ist gefährdet
durch den Zauber der Hölle; nur nimmt es, sei es nun Fabel oder Geschichte,
die Farbe und Gestalt der Zeit an. Lassen wir Margarethe Perier (der Tochter
seiner älteren Schwester) das Wort, uns das Abenteuer zu erzählen:
Als mein Oheim ein Jahr alt war, begegnete ihm etwas Außerordentliches.
Meine Großmutter war bei aller ihrer Jugend sehr fromm und mildtätig, sie
hatte eine große Zahl armer Familien, weichen sie monatlich eine kleine
Summe gab. Unter den armen Weibern, welchen sie also das Almosen reichte,
war auch eine, welche man für eine Hexe hielt; alle Welt sagte es ihr.
Meine Großmutter aber, welche viel Verstand hatte und nicht zu diesen
Leichtgläubigen gehörte, lachte über die Warnungen und gab ihr immer das
Almosen. Zu dieser Zeit nun geschah es, daß der kleine Pascal in eine Aus-
zehrung verfiel, welche man in Paris iom&rr en chartrg nennt; sie war aber
auch von zwei ungewöhnlichen Umständen begleitet; fürs erste konnte er
kein Wasser sehen, ohne daß er in große Aufregung geriet; das Zweite aber
1) H. Reuchlin: Pascals Leben und der Geist seiner Schriften. 1840. — Blaise
Pascal lebte von 162g bis 1662.
 
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