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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 11.1925

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Heft 3
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Freud, Sigmund: Die Widerstände gegen die Psychoanalyse
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https://doi.org/10.11588/diglit.36528#0238

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Die Widerstände gegen die Psychoanalyse'
Von
Sigm. Freud
Wenn sich der Säugling auf dem Arm der Pflegerin schreiend
von einem fremden Gesicht abwendet, der Fromme den neuen
Zeitabschnitt mit einem Gebet eröffnet, aber auch die Erstlings-
frucht des Jahres mit einem Segensspruch begrüßt, wenn der
Bauer eine Sense zu kaufen verweigert, welche nicht die seinen
Eltern vertraute Fabriksmarke trägt, so ist die Verschiedenheit
dieser Situationen augenfällig und der Versuch scheint berechtigt,
jede derselben auf ein anderes Motiv zurückzuführen.
Doch wäre es unrecht, das ihnen Gemeinsame zu verkennen.
In allen Fällen handelt es sich um die nämliche Unlust, die beim
Kinde elementaren Ausdruck findet, beim Frommen kunstvoll be-
schwichtigt, beim Bauern zum Motiv einer Entscheidung gemacht
wird. Die Quelle dieser Unlust aber ist der Anspruch, den das
Neue an das Seelenleben stellt, der psychische Aufwand, den es
fordert, die bis zur angstvollen Erwartung gesteigerte Unsicherheit,
die es mit sich bringt. Es wäre reizvoll, die seelische Reaktion
auf das Neue an sich zum Gegenstand einer Studie zu machen,
denn unter gewissen, nicht mehr primären Bedingungen wird
auch das gegenteilige Verhalten beobachtet, ein Reizhunger, der
sich auf alles Neue stürzt, und darum, weil es neu ist.

1) Zuerst französisch erschienen in „La Revue Juive", März 192g.
 
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