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Dr. Gustav Hans Gräber
da lag der Strumpf fertig und keine Spinne mehr darin, denn die Spinnen
haben ihn fertig gemacht. Da erwachte ich und lag auf dem Boden. Ich
war aber froh, daß der Traum nicht wahr war.
Wie sehr auch schon im Unbewußten des Kindes Frau, Spinnerin und
Spinne zusammengehören, zeigt folgendes reizende Märchen:
Es war einmal eine Königin, die spann immer. Einmal hatte sie
keinen Flachs mehr, da ließ sie Spinnen herbeibringen und spann mit
den Spinnenfaden. Dies gab prächtigen Zwirn und wunderbare Kleider.
Diese hatten die Eigenschaft, daß, wer eines trug, sich wünschen konnte,
was er wollte. Doch bei einem grausamen König war es nicht so. Diesem
brachte es Unglück. Als er das merkte, verbrannte er das Kleid. Da stiegen
Spinnen aus den Flammen und spannen ihn ein. Er starb eines jämmer-
lichen Todes.
Der Geburt der Spinnen aus den Flammen liegt eine tiefe Bedeutung
zugrunde. Ein Mädchen schrieb: Es gibt rote und schwarze Spinnen. Sie
krabbeln so, daß einem gramselt und kitzelt.
Die Spinnen steigen aus dem roten Feuer der Sexualität, bringen dem
Ich, das sich in der Liebe verändern muß, den schwarzen Tod. Wir haben
bereits darauf hingewiesen, daß auch Gotthelf die Berührung mit der
schwarzen Spinne mit dem Brand glühenden Feuers, das durch Mark und
Blut strömt, vergleicht. Nach einem alten estnischen Märchen ist es die
Spinne, die der Menschheit, der das Feuer fehlt, dieses aus dem Schlund
der Hölle heraufholt.* Ein Knabe (Theodor) verbannt in seinem Märchen
die Spinne, die mit ihrem giftigen Stachel den Schlangengott tötete, ins
Feuer des Erdinnern. Hölle und Erdinneres aber, worin das Feuer kocht,
sind längst bekannte Vaginasymbole.
T/zeo^or.- Fern in Afrika, inNumidien, wurde die Spinne nebst Schlangen-
göttern hoch verehrt. Täglich brachten ihr fünf braune Numidier ein-
gefangene Insekten. Da ergrimmte Siphax, der weiße Schlangengott, und
überredete die Numidier, die Spinne zu töten. Die Spinne aber belauschte
dieses Gespräch und schwor Bache. Gelimer, der König der Vandalen, kam
und besiegte die numidischen Stämme. Die Wenigen, die übrig blieben,
irrten obdachlos in der Wüste herum. Die Spinne selber floh in die Höhle
eines Berges. Von da aus unternahm sie Baubzüge gegen den Schlangen-
gott Siphax. Eines Tages stand Hiempal, der Gott der Bache, vor ihr und
i) Witschi: Von Blumen und Tieren. Bircher, Bern 1919. — Dähnhardt erwähnt
verschiedene Variationen dieses estnischen Märchens. (Natursagen. Bd. II.)
Dr. Gustav Hans Gräber
da lag der Strumpf fertig und keine Spinne mehr darin, denn die Spinnen
haben ihn fertig gemacht. Da erwachte ich und lag auf dem Boden. Ich
war aber froh, daß der Traum nicht wahr war.
Wie sehr auch schon im Unbewußten des Kindes Frau, Spinnerin und
Spinne zusammengehören, zeigt folgendes reizende Märchen:
Es war einmal eine Königin, die spann immer. Einmal hatte sie
keinen Flachs mehr, da ließ sie Spinnen herbeibringen und spann mit
den Spinnenfaden. Dies gab prächtigen Zwirn und wunderbare Kleider.
Diese hatten die Eigenschaft, daß, wer eines trug, sich wünschen konnte,
was er wollte. Doch bei einem grausamen König war es nicht so. Diesem
brachte es Unglück. Als er das merkte, verbrannte er das Kleid. Da stiegen
Spinnen aus den Flammen und spannen ihn ein. Er starb eines jämmer-
lichen Todes.
Der Geburt der Spinnen aus den Flammen liegt eine tiefe Bedeutung
zugrunde. Ein Mädchen schrieb: Es gibt rote und schwarze Spinnen. Sie
krabbeln so, daß einem gramselt und kitzelt.
Die Spinnen steigen aus dem roten Feuer der Sexualität, bringen dem
Ich, das sich in der Liebe verändern muß, den schwarzen Tod. Wir haben
bereits darauf hingewiesen, daß auch Gotthelf die Berührung mit der
schwarzen Spinne mit dem Brand glühenden Feuers, das durch Mark und
Blut strömt, vergleicht. Nach einem alten estnischen Märchen ist es die
Spinne, die der Menschheit, der das Feuer fehlt, dieses aus dem Schlund
der Hölle heraufholt.* Ein Knabe (Theodor) verbannt in seinem Märchen
die Spinne, die mit ihrem giftigen Stachel den Schlangengott tötete, ins
Feuer des Erdinnern. Hölle und Erdinneres aber, worin das Feuer kocht,
sind längst bekannte Vaginasymbole.
T/zeo^or.- Fern in Afrika, inNumidien, wurde die Spinne nebst Schlangen-
göttern hoch verehrt. Täglich brachten ihr fünf braune Numidier ein-
gefangene Insekten. Da ergrimmte Siphax, der weiße Schlangengott, und
überredete die Numidier, die Spinne zu töten. Die Spinne aber belauschte
dieses Gespräch und schwor Bache. Gelimer, der König der Vandalen, kam
und besiegte die numidischen Stämme. Die Wenigen, die übrig blieben,
irrten obdachlos in der Wüste herum. Die Spinne selber floh in die Höhle
eines Berges. Von da aus unternahm sie Baubzüge gegen den Schlangen-
gott Siphax. Eines Tages stand Hiempal, der Gott der Bache, vor ihr und
i) Witschi: Von Blumen und Tieren. Bircher, Bern 1919. — Dähnhardt erwähnt
verschiedene Variationen dieses estnischen Märchens. (Natursagen. Bd. II.)