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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 11.1925

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Heft 4
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Hermann, Imre: Gustav Theodor Fechner: Vortrag in der Ungarischen Psychoanalytischen Vereinigung, 1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.36528#0413

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Gustav Theodor Fechner

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Idee des noch nach dem Tode lebenden Vaters sich selbt geäußert: „Mutter
Fechner hing durch ihren langen Witwenstand (1806—i8gg) mit treuester
Liebe an dem entrissenen Gatten, und sie war, wie ich aus ihrer Erzählung
weiß, fest überzeugt, nach seinem Tode einmal, als sie sich mit besonderer
Lebendigkeit der sehnsüchtigen Erinnerung an ihn hingab, ein Zeichen
seiner persönlichen Nähe und Zustimmung empfangen zu haben. Sie habe
still im Lehnstuhl gesessen und gedacht: Ach, wenn ich doch ein Zeichen
von ihm empfinge! Es sei gegen Abend gewesen. Da sei plötzlich ein
heller Schein über die gegenüber befindliche Wand hingestrichen — ohne
daß dies etwa der Schein eines Lichtes aus der Nachbarschaft hätte sein
können, — und sie habe den Eindruck der Erfüllung ihres Wunsches,
die Empfindung freundlichen Trostes dankbar gespürt."*
Man findet somit beide Gedankengänge des Büchleins — der Tod sei
eine Geburt und derGeisl des Verstorbenen lebe weiter und erscheine dem
ihm Gedenkenden — durch kindliche Ereignisse und Gedanken-
läufe motiviert und hervorgelockt durch die neue Situation der kinder-
losen Ehe, in ihren wesentlichen Zügen von Wunschphantasien diktiert.
Wichtig für uns ist, daß das Büchlein noch von keiner Allbeseelung
spricht, es kennt ja nur die Geister der Menschen und Gott. Die All-
beseelung fängt, wie wir sahen, mit „Nanna" an und kehrt dann im
Buche Zend-Avesta zu den im Büchlein berührten Themata zurück, jedoch
jetzt schon vielfach verstärkt mit dem Motive, welches eine Regression
in den Mutterleib als Lösung der Konflikte verlangte. „Zend-Avesta" will
beweisen, daß „das Gebiet der individuellen Beseelung weiter und namentlich
höher hinauf reicht, als man zumeist glaubt" Z Diese Schrift will sodann
nicht etwas Neues, als eher die Wiedergeburt des Uralten.3 „Der ganz ent-
wickelte Vogel legt dasselbe Ei nieder, aus dem er erst erwachsen ist.'G
Das große Ei, aus welchem die lebendigen Geschöpfe auf Erden heraus-
kommen und in welches sie wieder zurückkehren, ist die Erde. Die Erde
selbst, „unsere Königin",3 ist als ein lebendiges Urtier^ zu betrachten, als ein
beseeltes Wesen, als ein Engel. Die Erde (was wir gemeinhin so nennen, ist nur
der Leib) zeigt Ähnlichkeiten mit unserem Leibe, sie hat Sinneswerkzeuge

1) Kuntze, S. 21.
2) Zend-Avesta, Vorrede VIII.
g) Zend-Avesta, Vorrede VII.
4) Zend-Avesta, Vorrede XVIII.
5) Zend-Avesta, I, S. 64.
6) Zend-Avesta, I, S. g6, mit Berufung auf Kepler.
 
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