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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Wetzel, Ines: Über Wohnen und Wohnlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0057

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INNEN-DEKORATION

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ARCHITEKT CARL WITZMANN—WIEN.

Schlafzimmer in einem Lantlliaitse.

Geldausgaben noch Stilkenntnisse garantieren Wärme und
Behagen. Wohl aber ist das Empfinden für Harmonie
der Raumverhältnisse, der Farben und Formen,
ganz besonders da wo es mit der Erkenntnis der
Zweckmäßigkeit zusammentrifft, die wichtigste Grund-
bedingung für glückliche Raumgestaltungs-Lösungen.
Daß dieses Empfinden glücklicherweise nicht an Besitz
und B.ldung gebunden, beweisen uns hunderte von
Beispiele bäuerlicher und ländlicher Innenräume voll
prächtiger Wohnlichkeit im Gegensatz zu unzähligen
Eigenhäusern und Wohnungen in den Städten, die wahre
Fundgruben der Geschmacklosigkeit und Unwohnlich-
keit sind. Schützt ihn Einsicht und Empfinden nicht,
so unterliegt gerade der Besitzende gar oft den Ver-
suchungen, welchen er, durch die Unbegrenztheit seiner
Mittel und die Masse der Kaufangebote, ausgesetzt ist.
Was wird da nicht alles in solchen Räumen zusammen-
gepfercht im Laufe der Zeit. Sitzmöbel aller Art,
Schränkchen und Tischchen, Etageren und Bilder,
Bronzen und Porzellane, Antiquitäten und modische
Industrie-Erzeugnisse, kostbare Stoffe und Draperien,
Schnitzereien und Plastiken! Von Reisen aus aller Herren
Länder Andenken und Ankäufe, von lieben Freunden

und Verwandten Geschenke, alles, alles steht, liegt und
hängt voll. Unruhe und Aufdringlichkeit, wohin das
Auge schaut, nirgends ein Plätzchen wo die Umgebung
schweigt und wartet bis sie vom Nutzer angesprochen
wird- alles schreit und prahlt und fährt durcheinander
mit Linien und Formen mit Farben und Tönen 1 Da
ist nichts von Ruhe, von Stimmung, von Wohnlichkeit
im ganzen Hause. Fast noch schlimmer aber ist es
um Wohnlichkeit bestellt in den Wohnungen der Minder-
besitzenden, welche die geschmacklose Überladung des
eleganten Eigenhauses nachahmen wollen und an Stelle
des Echten jene entsetzliche Talmi-Eleganz der Industrie-
bazare setzen. Nichts ist hier einfache, klare Wahrheit,
alles Lüge, Nachahmung und Vorspiegelung falscher
Tatsachen. Alles soll mehr vorstellen als es ist. Jeder
Unbefangene soll den Besitzer für vermögender halten als
es den Tatsachen entspricht. Hundert wertlose Deko-
rationsstücke aus dem Ramschbazar machen sich
in den Räumen jener Menschen breit, von denen das
Leben schwere und anstrengende Arbeitsleistungen fordert
und denen ruhige, sachliche Räume mit wohnlichem
Behagen daher so bitter nötig wären. Um das Bild
vieler unserer Bürgerwohnungen vollständig zu machen,
 
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