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INNEN-DEKO RATION
HAUS GRIESSER »TOCHTERZIMMER« WE1SS-BLAUER SCHLEIFLACK, VORHÄNGE UND TAPETE: WE1SS-ROT-BLAU
LOB DER SCHATTEN
Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward konnte. Wir wußten nicht, daß da in den Drähten
Licht.« Ich konnte mir das als Kind nicht recht Kräfte gegen uns in Anmarsch waren, die mit dem
vorstellen. Aber wir hatten Gasglühlicht mit zwei, Schimmer der Weihnachtskerze, den man uns stahl,
wie mir vorkam, wunderschönen Buchstaben in auch alles Geheimnis aus unseren übrigen Räumen
Kreisen stilisiert, einem A und einem Z. Die hingen zu nehmen bestimmt waren. Mein Vater schien so
an Kettchen herab, und wenn man am A zog, tat es etwas zu ahnen, denn er versteckte bald die Glühbir-
einen ganz schwachen Knall, nicht stärker, als wenn nen des Christbaums in bunte Kugeln und chine-
man eine Papprolle geöffnet hätte, »und es ward Licht«. sische Ampeln. Offen durften sie nur auf weißen
Diese Kettchen und Buchstaben bedeuteten mir dann Röhrchen als »Kerzen« auf dem Klavier weiterbren-
später auch das mystische A und Q, versinnbildlichten nen, auf dem ich denn bei solcher Beleuchtung bald
eine »Welt«, die in Licht und Finsternis zerfiel. den »Feuerzauber« heruntertrommelte. Unsere Weih-
Dann aber kamen geheimnisvolle Drähte und ganz nacht war wieder gerettet, chinesisch inszeniert - wie
prosaische Schalter und schimmernde »Birnen« und wir heute wohl wieder die stechenden 250 Watt in
dann der »elektrische Weihnachtsbaum«! Mein Vater, dämpfende Seide hüllen, um die Stimmung zu retten,
als ein Sohn der Gründerzeit, hatte mehr Sinn für Das elektrische Licht ist heute mitschaffend an
Glanz als für Stimmung, und so hatte ich wohl den unseren Räumen. Ob wir's schon beherrschen?
ersten von ihm selbst, nach vielen die Bescherung Die Schatten werden verdrängt, die einst raumge-
verzögernden Kurzschlüssen, zusammengebastelten staltend, stimmunggebend herrschten. Man begnügte
»elektrischen Christbaum« der Stadt, und der gefiel uns sich selbst am Tage in den Räumen mit wenig Licht,
Kindern, weil man ihn mit einem Pust ausblasen vielleicht weil man es draußen im Überfluß hatte, viel-
INNEN-DEKO RATION
HAUS GRIESSER »TOCHTERZIMMER« WE1SS-BLAUER SCHLEIFLACK, VORHÄNGE UND TAPETE: WE1SS-ROT-BLAU
LOB DER SCHATTEN
Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward konnte. Wir wußten nicht, daß da in den Drähten
Licht.« Ich konnte mir das als Kind nicht recht Kräfte gegen uns in Anmarsch waren, die mit dem
vorstellen. Aber wir hatten Gasglühlicht mit zwei, Schimmer der Weihnachtskerze, den man uns stahl,
wie mir vorkam, wunderschönen Buchstaben in auch alles Geheimnis aus unseren übrigen Räumen
Kreisen stilisiert, einem A und einem Z. Die hingen zu nehmen bestimmt waren. Mein Vater schien so
an Kettchen herab, und wenn man am A zog, tat es etwas zu ahnen, denn er versteckte bald die Glühbir-
einen ganz schwachen Knall, nicht stärker, als wenn nen des Christbaums in bunte Kugeln und chine-
man eine Papprolle geöffnet hätte, »und es ward Licht«. sische Ampeln. Offen durften sie nur auf weißen
Diese Kettchen und Buchstaben bedeuteten mir dann Röhrchen als »Kerzen« auf dem Klavier weiterbren-
später auch das mystische A und Q, versinnbildlichten nen, auf dem ich denn bei solcher Beleuchtung bald
eine »Welt«, die in Licht und Finsternis zerfiel. den »Feuerzauber« heruntertrommelte. Unsere Weih-
Dann aber kamen geheimnisvolle Drähte und ganz nacht war wieder gerettet, chinesisch inszeniert - wie
prosaische Schalter und schimmernde »Birnen« und wir heute wohl wieder die stechenden 250 Watt in
dann der »elektrische Weihnachtsbaum«! Mein Vater, dämpfende Seide hüllen, um die Stimmung zu retten,
als ein Sohn der Gründerzeit, hatte mehr Sinn für Das elektrische Licht ist heute mitschaffend an
Glanz als für Stimmung, und so hatte ich wohl den unseren Räumen. Ob wir's schon beherrschen?
ersten von ihm selbst, nach vielen die Bescherung Die Schatten werden verdrängt, die einst raumge-
verzögernden Kurzschlüssen, zusammengebastelten staltend, stimmunggebend herrschten. Man begnügte
»elektrischen Christbaum« der Stadt, und der gefiel uns sich selbst am Tage in den Räumen mit wenig Licht,
Kindern, weil man ihn mit einem Pust ausblasen vielleicht weil man es draußen im Überfluß hatte, viel-