DOI Artikel:
Schenk, Otto: Ein "Bauernzimmer" und ein Wintergarten
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0097
INNEN-DEKO RATION
83
EIN »BAUERNZIMMER« UND EIN WINTERGARTEN
VON OTTO SCHENK—STUTTGART
Eines Tages kam die junge blonde Frau zu mir und
erzählte: der Urlaub hatte sie mit der Familie in
ländliche Umgebung geführt; in einem Bauernhaus
hatte sie ein Zimmer gesehen, bescheiden, lieb, nett -
und ein solches Zimmer wollte sie nun haben. Ein
»Bauernzimmer« in einer Stadtwohnung? — Un-
möglich ! Also galt es, den Wunsch der Kundin - der
ja im Grunde nicht an einer kopierten ländlichen
Wohnform, sondern an einer traulich anheimelnden
Raumstimmung von schlichtem Aufbau gelegen war
- in einer Weise zu verarbeiten, die künstlerisch zu
verantworten war. Ich verfuhr wie folgt. Das ganze
Zimmerchen besteht eigentlich aus zwei Nischen.
Die Wände laufen teilweise von Kopfhöhe ab schräg,
geben also keine klare Absetzung zwischen Wand und
Decke. Daher habe ich zunächst den ganzen Raum
samt Decke in einer hellen Beigefarbe durchtape-
ziert. Der Fußboden wurde mit einem Boucle in
feurigem Ziegelrot ausgelegt. Die helle freundliche
Tapete darüber dehnt gleichwohl das Raumbild, so
daß nicht der Eindruck der Enge entsteht. Nun hieß
es, die beiden Zimmernischen so vorteilhaft wie mög-
lich auszunutzen. In der nach der Sonnenseite gelege-
nen, die einen herrlichen Rundblick über das stets
reizvolle Stadtbild Stuttgarts bietet, wurde die Sitz-
gruppe untergebracht. Sie besteht aus einem Tisch
mit zwei Stühlen. Für die Tischplatte wurde weißer
Ahorn gewählt; sie blieb naturbelassen, ist somit
leicht zu reinigen - und wahrt auf jedenfalls erlaubte
Weise den Zusammenhang mit ländlicher Schlicht-
heit. Für die beiden Stühle wurden absichtlich ver-
schiedene Formen gewählt (Korbsessel und Küchen-
stuhl), damit die ganze etwas raumknappe Anord-
nung fürs Auge leichter wird. Die andre Nische birgt
Schränke für Geschirr und Bücher, ebenhoch mit der
Fensterbrüstung; dem Büchergestell ist ein kleiner
Sekretär-Aufbau mit Schreibgelegenheit einverleibt.
Für diese Geräte wurde Lärchenholz verwendet, na-
turbelassen und eingewachst; diese Behandlung halte
ich für die beste, weil sie dem Lärchenholz entspricht
und die Reinigung sehr erleichtert. Beide Fenster ha-
ben einfache Vorhänge aus grün-weiß-rot kariertem
Stoff erhalten. - Und so ist mit wenigen, eigentlich
nur im Material liegenden Anspielungen das länd-
lich schlichte Gepräge da, dessen Erzielung den
Ausgangspunkt dieses Auftrages gebildet hatte.
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EIN »BAUERNZIMMER« UND EIN WINTERGARTEN
VON OTTO SCHENK—STUTTGART
Eines Tages kam die junge blonde Frau zu mir und
erzählte: der Urlaub hatte sie mit der Familie in
ländliche Umgebung geführt; in einem Bauernhaus
hatte sie ein Zimmer gesehen, bescheiden, lieb, nett -
und ein solches Zimmer wollte sie nun haben. Ein
»Bauernzimmer« in einer Stadtwohnung? — Un-
möglich ! Also galt es, den Wunsch der Kundin - der
ja im Grunde nicht an einer kopierten ländlichen
Wohnform, sondern an einer traulich anheimelnden
Raumstimmung von schlichtem Aufbau gelegen war
- in einer Weise zu verarbeiten, die künstlerisch zu
verantworten war. Ich verfuhr wie folgt. Das ganze
Zimmerchen besteht eigentlich aus zwei Nischen.
Die Wände laufen teilweise von Kopfhöhe ab schräg,
geben also keine klare Absetzung zwischen Wand und
Decke. Daher habe ich zunächst den ganzen Raum
samt Decke in einer hellen Beigefarbe durchtape-
ziert. Der Fußboden wurde mit einem Boucle in
feurigem Ziegelrot ausgelegt. Die helle freundliche
Tapete darüber dehnt gleichwohl das Raumbild, so
daß nicht der Eindruck der Enge entsteht. Nun hieß
es, die beiden Zimmernischen so vorteilhaft wie mög-
lich auszunutzen. In der nach der Sonnenseite gelege-
nen, die einen herrlichen Rundblick über das stets
reizvolle Stadtbild Stuttgarts bietet, wurde die Sitz-
gruppe untergebracht. Sie besteht aus einem Tisch
mit zwei Stühlen. Für die Tischplatte wurde weißer
Ahorn gewählt; sie blieb naturbelassen, ist somit
leicht zu reinigen - und wahrt auf jedenfalls erlaubte
Weise den Zusammenhang mit ländlicher Schlicht-
heit. Für die beiden Stühle wurden absichtlich ver-
schiedene Formen gewählt (Korbsessel und Küchen-
stuhl), damit die ganze etwas raumknappe Anord-
nung fürs Auge leichter wird. Die andre Nische birgt
Schränke für Geschirr und Bücher, ebenhoch mit der
Fensterbrüstung; dem Büchergestell ist ein kleiner
Sekretär-Aufbau mit Schreibgelegenheit einverleibt.
Für diese Geräte wurde Lärchenholz verwendet, na-
turbelassen und eingewachst; diese Behandlung halte
ich für die beste, weil sie dem Lärchenholz entspricht
und die Reinigung sehr erleichtert. Beide Fenster ha-
ben einfache Vorhänge aus grün-weiß-rot kariertem
Stoff erhalten. - Und so ist mit wenigen, eigentlich
nur im Material liegenden Anspielungen das länd-
lich schlichte Gepräge da, dessen Erzielung den
Ausgangspunkt dieses Auftrages gebildet hatte.