DOI article:
Kessler, Eva: Wiener Kunsthandwerk
DOI Page / Citation link: https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0197
INNEN-DEKOR AT ION
183
PROF. OSWALD HAERDTL »WOHNZIMMER-ECKE DER WOHNUNG V.« MAHAGONI, BARSCHRANK: ROTES LEDER
bar eben das alte Handwerk auch stets gewesen ist!), ihrer Herstellung, die mit liebevollster Hingegeben-
sondern als Hinweis auf die geistige Einstellung und heit dem Werke diente, eben nur dem Gebrauch ge-
innere Erfülltheit, die jenen Zeiten ihre Fruchtbar- hörten und daher heute als Sinnbilder veredelter
keit gegeben. Ein Hinweis, der auch bei uns seine Lebensführung, als eine Art Kulturträger empfunden
anfeuernde Wirkung nicht verfehlen wird, vielleicht werden, die eine innere Mahnung in sich tragen,
als zündender Funke wirken mag, um eben jene Hin- Auch heute handelt es sich um die Veredlung der
gegebenheit an die Sache zu erreichen und die Form- täglichen Gebrauchsdinge, um die Verfeinerung des
gesetze der Zeit aus neuem Geiste zu prägen. Diese Auges, die das Schlechte ausschaltet, und um die
Entwicklungen liegen noch in einem weiten Raum; Erhöhung des Lebensstils; denn wenn das Kunst -
wir vermögen sie eher vorzuahnen als wissend zu handwerk auf den Luxus beschränkt bleibt, so wird
besprechen. Wenn aber das Bewußtsein der großen sein Bezirk beengt, und zugleich sinkt es zum Spiel-
künstlerischen Aufgaben des Heute und Morgen zu- zeug des Erwachsenen, wird Tändelei des luxusbe-
gleich Vorbereitung bedeutet, so ist diese wohl am dürftigen Menschen. Doch ist seine Bestimmung
klarsten durch die planmäßige Erziehung zur Kunst von edler Art, und es handelt sich heute darum, die
und zum künstlerischen Schauen zu erreichen. Sie natürliche Verbundenheit der künstlerischen Lei-
hätte schon in der Schule einzusetzen, unter sorg- stung mit den Anforderungen des Lebens herzustellen,
licher Leitung erlesener Fachleute, und dürfte sich Um aber von dieser etwas allgemeinen Betrach-
nicht mit den etwas vagen Propagandaversuchen bei tung zu der Beschränkung heimatlichen Gebiets und
Erwachsenen begnügen. »Erhöhung und Kultur« ist Kunsthandwerks zurückzufinden, sei hier im knapp-
es, worum es sich hiebei handelt. Es macht nach- sten Rückblick ein Aufriß der Entwicklung des
denklich und beschämt, daß Gebrauchsgegenstände Wiener Kunstgewerbes der letzten Jahrzehnte ge-
aus alter Zeit, die heute um ihrer Formenreinheit geben. Die Bewegung der Sezession müssen wir heute
willen als »Kunstwerke« gewertet werden, zur Zeit als Irrweg erkennen, obwohl sie reich an künstle-
183
PROF. OSWALD HAERDTL »WOHNZIMMER-ECKE DER WOHNUNG V.« MAHAGONI, BARSCHRANK: ROTES LEDER
bar eben das alte Handwerk auch stets gewesen ist!), ihrer Herstellung, die mit liebevollster Hingegeben-
sondern als Hinweis auf die geistige Einstellung und heit dem Werke diente, eben nur dem Gebrauch ge-
innere Erfülltheit, die jenen Zeiten ihre Fruchtbar- hörten und daher heute als Sinnbilder veredelter
keit gegeben. Ein Hinweis, der auch bei uns seine Lebensführung, als eine Art Kulturträger empfunden
anfeuernde Wirkung nicht verfehlen wird, vielleicht werden, die eine innere Mahnung in sich tragen,
als zündender Funke wirken mag, um eben jene Hin- Auch heute handelt es sich um die Veredlung der
gegebenheit an die Sache zu erreichen und die Form- täglichen Gebrauchsdinge, um die Verfeinerung des
gesetze der Zeit aus neuem Geiste zu prägen. Diese Auges, die das Schlechte ausschaltet, und um die
Entwicklungen liegen noch in einem weiten Raum; Erhöhung des Lebensstils; denn wenn das Kunst -
wir vermögen sie eher vorzuahnen als wissend zu handwerk auf den Luxus beschränkt bleibt, so wird
besprechen. Wenn aber das Bewußtsein der großen sein Bezirk beengt, und zugleich sinkt es zum Spiel-
künstlerischen Aufgaben des Heute und Morgen zu- zeug des Erwachsenen, wird Tändelei des luxusbe-
gleich Vorbereitung bedeutet, so ist diese wohl am dürftigen Menschen. Doch ist seine Bestimmung
klarsten durch die planmäßige Erziehung zur Kunst von edler Art, und es handelt sich heute darum, die
und zum künstlerischen Schauen zu erreichen. Sie natürliche Verbundenheit der künstlerischen Lei-
hätte schon in der Schule einzusetzen, unter sorg- stung mit den Anforderungen des Lebens herzustellen,
licher Leitung erlesener Fachleute, und dürfte sich Um aber von dieser etwas allgemeinen Betrach-
nicht mit den etwas vagen Propagandaversuchen bei tung zu der Beschränkung heimatlichen Gebiets und
Erwachsenen begnügen. »Erhöhung und Kultur« ist Kunsthandwerks zurückzufinden, sei hier im knapp-
es, worum es sich hiebei handelt. Es macht nach- sten Rückblick ein Aufriß der Entwicklung des
denklich und beschämt, daß Gebrauchsgegenstände Wiener Kunstgewerbes der letzten Jahrzehnte ge-
aus alter Zeit, die heute um ihrer Formenreinheit geben. Die Bewegung der Sezession müssen wir heute
willen als »Kunstwerke« gewertet werden, zur Zeit als Irrweg erkennen, obwohl sie reich an künstle-