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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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D., M.: Hersteller und Verbraucher
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"Des Lebens Überfluss"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0404

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INNEN-DE KORAT ION

DES LEBENS ÜBERFLUSS

Es gibt vom alten Ludwig Tieck eine hübsche No-
velle, >, Des Lebens Überfluß«. Sie schildert mit ro-
mantisch-übermütiger Laune, halb Märchen, halb
Wahrscheinlichkeit, wie ein blutjunges Ehepaar sich
in seiner Wohnung verschanzt gegen eine feindliche
Außenwelt von erbitterten Onkeln, Polizeidienern und
Gerichtsvollziehern. Ganz erfüllt von ihrer Liebe, ent-
decken die beiden jungen Menschen, wie vieles Uber-
flüssige wir im gewöhnlichen Lebensbetrieb mit uns
schleppen. Ja, ist das Glück der Liebe im Haus, dann
kann man sogar die massive eichene Treppe, die von
unten zur Wohnung heraufführt, entbehren; fehlt das
Feuer im Ofen, dann bricht man sie Stufe für Stufe
von unten her ab und steckt die Bohlen in den Kamin.

Es ist, wie gesagt, ein modernes Märchen, das Tieck
da erzählt. Aber es kehrt schalkhaft die Wahrheit her-
vor, daß auch bei schlichtem äußerem Zuschnitt ein
schönes Leben, ein menschenwürdiges Wohnen mög-
lich sind. Es ist eine Randwahrheit, denn sie lenkt den
Blick einseitig auf das, was man von Apparat und
Aufwand, die uns umgeben, alles wegstreichen
kann. Aber als Randwahrheit darf sie nie vergessen
werden, weil sie gut den einen der zwei Pole bezeich-
net, zwischen denen die Fragenach dem rechten Woh-

nen stets schweben bleiben wird. Wie unmenschlich
wäre es, wollten wir dekretieren, daß menschenwür-
diges Wohnen an die Voraussetzung vielräumiger
Wohnungen, wertvoller Möbelhölzer usw. gebunden
sei! Wo innerer Besitz ist, kann der äußere weit-
gehend entbehrt werden. Wo von harmonischer Ge-
mütsverfassung her Ordnung und liebevolle Heim-
pflege walten, wird Aufwand nicht vermißt. Aber auf
der andern Seite bleibt es ebenso wahr, daß es sein be-
rechtigtes Streben ist, welches den Kulturmenschen
treibt, seine Wohnung in Spezialräume zu gliedern,
seine inwendigen Vermögen und Empfänglichkeiten
durch entwickelte sinnliche Formen, durch gewählte
Werkstoffe zu nähren. Weder radikale Bedürfnis-
dämpfung noch hemmungslose Bedürfniszüchtung
sind in bezug auf das Wohnen brauchbare Endziele.
Die eigentliche Richtschnur liegt in dem Maß, welches
dem Menschen gesetzt ist und welches hier von seiner
Innerlichkeit, dort von seiner Angewiesenheit auf das
Sinnfällige bestimmt wird. Nach welcher Seite hin er
seine Umwelt behandelt, entscheidet sich nach persön-
lichen Umständen und nach Antrieben des geschicht-
lichenAugenblicks.Die Hauptsachebleibt:Er hatSpiel-
raum, um seine Lebensform im Wohnen zu sichern.
 
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