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Württemberg. Die Entwicklung des Zeichenunterrichts.
WÜRTTEMBERG.
DIE ENTWICKLUNG DES ZEICHEN-
UNTERRICHTS IN WÜRTTEMBERG.
Von Oberreallehrer KOLB-GÖPPINGEN.
Zu Ende des zweiten und beim Beginn des letzten Drittels des vorigen Jahr-
hunderts wurden in Württemberg von dem damaligen Präsidenten der Zentralstelle
für Gewerbe und Handel v. Steinbeis die ersten gewerbl. Fortbildungsschulen
gegründet, denen insbesondere die Aufgabe zufiel, das gewerbliche Zeichnen zu
pflegen. Infolgedessen wurden damals eine größere Anzahl von Lehrkräften ange-
stellt, die meist aus der kunstgewerblichen Praxis hervorgegangen waren und fast
immer ein mehrjähriges Studium auf einer Kunstgewerbeschule, Kunstschule oder
Technischen Hochschule nachweisen konnten. Das waren die ersten württembergischen
Zeichenlehrer, die hervorragende Autoritäten auf dem Gebiet des Zeichenunter-
richts wie Herdtle, Biermann, Kolb (der jetzige Direktor der Kgl. Kunstgewerbe-
schule) unter sich zählten. Diesen für jene Zeit vortrefflich ausgebildeten Lehr-
kräften gelang es auch, den kunstgewerblichen Zeichenunterricht des Landes in
verhältnismäßig kurzer Zeit zu so hoher Blüte zu bringen, daß er von auswärtigen
Staaten als mustergültig anerkannt und vielfach nachgeahmt wurde. Württem-
bergische Vorlagenwerke waren damals in aller Welt verbreitet, und in jener Zeit
wurde das für uns so schmeichelhafte Wort geprägt, daß Württemberg „das klassi-
sche Land des gewerbl. Zeichenunterrichts" sei (vgl. Reinsche Enzyklopädie).
Die Zeichenlehrer der gewerbl. Fortbildungsschulen erteilten aber auch (wie
dies im allgemeinen auch heute noch der Fall ist) den Zeichenunterricht der all-
gemeinbildenden Schulen, der Real- und Lateinschulen und ab und zu auch der
Volksschulen. Die Leitung des gesamten Zeichenunterrichts des Landes lag in
einer Hand, in der des Referenten für Zeichnen in der Kommission für die ge-
werbl. Fortbildungsschulen.
Daraus erklärt sich nun, daß sich bei uns der Zeichenunterricht der allgemein
bildenden Schulen in engster Fühlung mit demjenigen der gewerbl. Schulen ent-
wickelt hat. Insbesondere wurde bis in unsere Zeit herein der Elementarunterricht
in beiden Schulgattungen vollständig gleich gehandhabt. Dieselben Vorlagenwerke,
denen geometrische und ornamentale Formen zugrunde gelegt waren, wurden in
sämtlichen Schulen gezeichnet; nur wurde das Herdtlesche Werk verdrängt von
dem Kolbschen Wandtafelwerk, das den immerhin großen Fortschritt brachte,
daß der Schüler zum freieren Abschätzen der Verhältnisse angeleitet wurde. Neben
letzterem fand später das Gnantsche Werk Eingang, das dem naturalistischen Zug
der Zeit Rechnung trug.
Nach und nach wurde (hauptsächlich durch die Bemühungen Höggs) das
„Körperzeichnen" in den höheren und teilweise auch in den gewerbl. Fortbildungs-
schulen eingeführt. Man zeichnete nach Draht-, Holz- und Blechmodellen und
malte auch Stilleben. In den oberen Klassen der höheren Schulen fand der Unter-
richt mit dem Zeichnen von Gipsköpfen seinen Abschluß.
Die gewaltige kunstgewerbliche Bewegung, die nach der Stilhetze der 70er
und 80er Jahre gegen Ende des vorigen Jahrhunderts einsetzte, warf naturgemäß
ihre Wellen auch in die gewerbliche Schule herein. Der Ruf: „Zurück zur Natur!"
wurde auch hier aufgenommen. Württemberg, das über einen Stamm kunstgewerb-
lich tüchtig ausgebildeter Zeichenlehrer verfügte, war damals gewiß nicht der letzte
deutsche Bundesstaat, der seinen kunstgewerblichen Unterricht den neuen Ideen
entsprechend umgestaltete. Bald erschienen zwei großangelegte Werke, die haupt-
sächlich für die gewerbl. Fortbildungsschulen bestimmt waren und die Umgestaltung
des kunstgewerbl. Unterrichts nach modernen Gesichtspunkten in die Wege leiten
wollten.
Das erste „Gewerbliche Freihandzeichnen", von Huberich und Fischer
herausgegeben, war als Studienmaterial für den Schüler gedacht, das zweite „Von
der Pflanze zu Ornament" von Kolb und Gmelich sollte hauptsächlich dem
Lehrer als Hilfsmittel dienen. Später erschien noch ein drittes ornamentales Werk
Württemberg. Die Entwicklung des Zeichenunterrichts.
WÜRTTEMBERG.
DIE ENTWICKLUNG DES ZEICHEN-
UNTERRICHTS IN WÜRTTEMBERG.
Von Oberreallehrer KOLB-GÖPPINGEN.
Zu Ende des zweiten und beim Beginn des letzten Drittels des vorigen Jahr-
hunderts wurden in Württemberg von dem damaligen Präsidenten der Zentralstelle
für Gewerbe und Handel v. Steinbeis die ersten gewerbl. Fortbildungsschulen
gegründet, denen insbesondere die Aufgabe zufiel, das gewerbliche Zeichnen zu
pflegen. Infolgedessen wurden damals eine größere Anzahl von Lehrkräften ange-
stellt, die meist aus der kunstgewerblichen Praxis hervorgegangen waren und fast
immer ein mehrjähriges Studium auf einer Kunstgewerbeschule, Kunstschule oder
Technischen Hochschule nachweisen konnten. Das waren die ersten württembergischen
Zeichenlehrer, die hervorragende Autoritäten auf dem Gebiet des Zeichenunter-
richts wie Herdtle, Biermann, Kolb (der jetzige Direktor der Kgl. Kunstgewerbe-
schule) unter sich zählten. Diesen für jene Zeit vortrefflich ausgebildeten Lehr-
kräften gelang es auch, den kunstgewerblichen Zeichenunterricht des Landes in
verhältnismäßig kurzer Zeit zu so hoher Blüte zu bringen, daß er von auswärtigen
Staaten als mustergültig anerkannt und vielfach nachgeahmt wurde. Württem-
bergische Vorlagenwerke waren damals in aller Welt verbreitet, und in jener Zeit
wurde das für uns so schmeichelhafte Wort geprägt, daß Württemberg „das klassi-
sche Land des gewerbl. Zeichenunterrichts" sei (vgl. Reinsche Enzyklopädie).
Die Zeichenlehrer der gewerbl. Fortbildungsschulen erteilten aber auch (wie
dies im allgemeinen auch heute noch der Fall ist) den Zeichenunterricht der all-
gemeinbildenden Schulen, der Real- und Lateinschulen und ab und zu auch der
Volksschulen. Die Leitung des gesamten Zeichenunterrichts des Landes lag in
einer Hand, in der des Referenten für Zeichnen in der Kommission für die ge-
werbl. Fortbildungsschulen.
Daraus erklärt sich nun, daß sich bei uns der Zeichenunterricht der allgemein
bildenden Schulen in engster Fühlung mit demjenigen der gewerbl. Schulen ent-
wickelt hat. Insbesondere wurde bis in unsere Zeit herein der Elementarunterricht
in beiden Schulgattungen vollständig gleich gehandhabt. Dieselben Vorlagenwerke,
denen geometrische und ornamentale Formen zugrunde gelegt waren, wurden in
sämtlichen Schulen gezeichnet; nur wurde das Herdtlesche Werk verdrängt von
dem Kolbschen Wandtafelwerk, das den immerhin großen Fortschritt brachte,
daß der Schüler zum freieren Abschätzen der Verhältnisse angeleitet wurde. Neben
letzterem fand später das Gnantsche Werk Eingang, das dem naturalistischen Zug
der Zeit Rechnung trug.
Nach und nach wurde (hauptsächlich durch die Bemühungen Höggs) das
„Körperzeichnen" in den höheren und teilweise auch in den gewerbl. Fortbildungs-
schulen eingeführt. Man zeichnete nach Draht-, Holz- und Blechmodellen und
malte auch Stilleben. In den oberen Klassen der höheren Schulen fand der Unter-
richt mit dem Zeichnen von Gipsköpfen seinen Abschluß.
Die gewaltige kunstgewerbliche Bewegung, die nach der Stilhetze der 70er
und 80er Jahre gegen Ende des vorigen Jahrhunderts einsetzte, warf naturgemäß
ihre Wellen auch in die gewerbliche Schule herein. Der Ruf: „Zurück zur Natur!"
wurde auch hier aufgenommen. Württemberg, das über einen Stamm kunstgewerb-
lich tüchtig ausgebildeter Zeichenlehrer verfügte, war damals gewiß nicht der letzte
deutsche Bundesstaat, der seinen kunstgewerblichen Unterricht den neuen Ideen
entsprechend umgestaltete. Bald erschienen zwei großangelegte Werke, die haupt-
sächlich für die gewerbl. Fortbildungsschulen bestimmt waren und die Umgestaltung
des kunstgewerbl. Unterrichts nach modernen Gesichtspunkten in die Wege leiten
wollten.
Das erste „Gewerbliche Freihandzeichnen", von Huberich und Fischer
herausgegeben, war als Studienmaterial für den Schüler gedacht, das zweite „Von
der Pflanze zu Ornament" von Kolb und Gmelich sollte hauptsächlich dem
Lehrer als Hilfsmittel dienen. Später erschien noch ein drittes ornamentales Werk