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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 1.1903

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Gnirs, Anton: Eine vorrömische Nekropole innerhalb der Mauern des antiken Pola
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https://doi.org/10.11588/diglit.47868#0049
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A. Gnirs Eine vorrömische Nekropole innerhalb der Mauern des antiken Pola

dienten (Fig. 75). Einfach mit bloßer Hand zu ver-
wenden waren Kornquetscher von fast kubischer
Form mit abgerundeten Kanten an der Reibfläche.
Einer mit durchgängig scharfen Kanten sollte erst
in Verwendung kommen. Das Material zeigt orts-
fremden, grauen, feinkörnigen Sandstein von ziem-
licher Härte und dürfte aus dem nördlichsten Teil
der Halbinsel stammen. Aus Euganeenbasalt besteht
eine ovale Reibplatte. Als Netzsenker oder andere
Belastung möchte ich ein fast zylindrisch zubehaue-
nes Stück aus einheimischem Kalkstein bezeichnen,
das an seinem oberen Teil eine Öse zur Aufnahme

Fig. 75
Kornquetscher



Fig. 76 Netzsenker
aus Kalkstein

der tragenden Schnur besitzt (Fig. 70). Ohne deut-
lich erkennbare Bestimmung sind aus ortsfremdem,
hartem Sandstein hergestellte Kugeln (Durchmesser
ungefähr 5 — 8 cm) und ein phallusähnliches Gebilde
aus gleichem Sandstein, das aber eher als Geröll-
stück diese Form erhalten hat, als daß es als Arte-
fakt aufzufassen ist.
Als Schmuckstein fand sich ein Stückchen
Hämatit, der an irgend einem Zierstück in Fassung
getragen wurde.
Nach dem Abräumen der besprochenen Kultur-
schichten zeigte sich die eigentliche Nekropole so,
wie sie in den Tagen ihrer Entstehung ausgesehen
hat: Ein Feld, mit großen und kleinen Steinplatten
unregelmäßig überdeckt, welche die Stellen der
Brandgräber kennzeichneten. Über sie zog sich der
mächtige Kjökken-mödding wie eine schützende
Decke hinüber, der es vielfach zu danken ist, daß
sich die Grabstellen in ihrer ursprünglichen Ein-
richtung bis auf unsere Tage erhalten haben. Die
Abfallschichten mit ihren zahlreichen Brandresten
verraten, daß die vorrömischen Kasteliierleute oft
von der Höhe ihres umwallten Burghügels herab-
gestiegen sind, um an der Stelle, wo die Asche
der Ihren ruhte, gemeinsame Feste und Mahlzeiten
zu feiern.1) Was von letzteren übrig blieb, dieBrand-
b Daß an Begräbnisstätten die gemeinsamen Mahl¬

reste und das bei dieser Gelegenheit zerbrochene
Tongeschirr, wie verloren gegang-ene Artefakte
bilden jene bereits besprochenen Einschlüsse; sie
legen mit Zeugnis für einen eigenen, ausgebildeten
Totenkultus ab, der hier durch lange Zeiträume
hindurch in Übung war.
Es ist anzunehmen, daß die den Dahingegan-
genen zugedachten Opferfeste noch nach der römi-
schen Okkupation in Gebrauch geblieben sind, und
daß die neuen Herren des Landes das besiegte
Istrervolk bei seinen Lebensgewohnheiten und reli-
giösen Anschauungen belassen und die alten Kult-
stätten respektiert haben. Nur so klärt sich die Tat-
sache auf, daß das Stadtgebiet von der Porta Ercola
an bis über die aufgedeckte Nekropole hinaus von der
Verbauung freiblieb, obwohl es bereits innerhalb
der Mauern des antiken Pola lag.1) Erst eine sehr
späte Zeit vergaß die traditionelle Rücksicht diesem
heiligen Boden gegenüber. Es ist vielleicht das IV.
oder V. Jh. n. Chr., das über der vorrömischen
Nekropole Polas Gebäude errichtet hat.
Die Untersuchung der einzelnen Grabstellen
ergab, daß dreierlei Bestattungsarten im Gebrauch
waren (Fig. 77). Gewöhnlich lag unter einer großen
Steinplatte (Fig. 77 a) eine dünne Schichte von
Holzkohlen und Holzasche, in der öfters das Ge-
häuse der in der Adria häufigen Napfschnecke an-
getroffen wurde. Nach Entfernung dieser Brand-
reste zeigte sich abermals eine, manchmal auch
zwei Kalksteinplatten von geringer Dicke und
Größe; in der Regel ist sie gerade groß genug,
um eine kleine Steinkiste zu verschließen, die zur
Aufnahme der Aschenurne diente. Dieser viereckige
Raum von ungefähr 30X40 cm Bodenfläche und
20—30 cm Tiefe war in die dünne Terrarossa-
zeiten, gelegentlich auch Opferfeste abgehalten wurden
ist auch anderwärts beobachtet worden (Hoernes Urge-
schichte 290).
Dieselbe Erscheinung läßt sich auf dem Kastellier,
von Nesactium beobachten. Die von der Societä Istriana
di archeologia e storia patria unternommenen Grabungen
(vgl. Sticotti 121 ff.) ergaben, daß die vorrömische Nekro-
pole in den Stadtbezirk des römischen Nesactium einbezogen
wie in Pola mit einer trocken geführten Mauer abgegrenzt
wurde, innerhalb deren ebenfalls ein Kjökken-mödding an-
wuchs, der schließlich den höchsten Punkt der Stadt bildet.
Antike Privatbauten reichen unmittelbar an denselben heran,
dessen Schichten aber, so lange Nesactium stand, niemals
angetastet wurden. Wie in Pola kommt auch hier der Be-
gräbnisplatz an die Peripherie der Stadt zu liegen.
 
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