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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 1.1903

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Weixlgärtner, Arpad: Johann Bergl
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https://doi.org/10.11588/diglit.47868#0196
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A. WEIXLGÄRTNER Johann Bergl

zu repräsentieren, hat schon Granin der Kuppel der
Hotbibliothek angewandt,1) ebenso wie Guglielmi in
der Akademie der Wissenschaften den Kadaver
zum Mittelpunkte der medizinischen Szene machte.
Der Medizin gegenüber ist die Jurisprudenz
gemalt. Die Mitte wird von einer behelmten Justitia
mit Wage und Faszes eingenommen. Hinter ihr ragt,
was bei Tiepolo so häufig vorkommt, ein Obelisk em-
por, auf dem sich ein undeutliches Porträtmedaillon
befindet. Unter den fünf Männern rechts von der
Gestalt der Gerechtigkeit trägt wieder einer einenTur-
ban, unter den übrigen fällt ein rückwärts stehender,
wohlbeleibter älterer Herr auf, der eine Kette mit
einer Denkmünze an der Brust trägt und vor dem
sich ein mächtiger Aktenstoß auftürmt. Links bilden
drei jüngere Männer, von denen der eine dem
anderen diktiert, nebst einem beturbanten Alten den
Abschluß.2)
Als Gegenstück der Theologie ist in ganz
analoger Weise die Darstellung der Philosophie
aufgebaut.3) Auch hier bildet eine gewaltige
Architektur den Hintergrund. Darüber schweben
ein Genius und ein Putto, deren beider Kornukopien,
wie wir es ähnlich schon im Melker Sommerhaus
gesehen haben, alle Zeichen irdischer Macht ent-
stürzen: Geld, Ehrenkette, Krone und Scepter, Her-
zogs- und Kardinalshut, Bischofsmütze und Adels-
brief. Links oben schwebt ein anderer Putto, der
mit beiden Händen einen Sternenkranz hoch hält.
Abermals krönen zwei Steinfiguren die Flügel des
Gebäudes: links ein Mann mit Stab und Globus,
rechts ein Weib mit Globus und Zirkel, vielleicht
Erd- und Himmelskunde versinnlichend. Vor dem
Gebäude, in der Mitte der ganzen Komposition
und über die anderen Figuren erhaben, sitzt die
Philosophie, das von weltumspannenden Gedanken
schwere Haupt in die rechte Hand gestützt, die
b Vgl. List, 1. c., Tafel VII.
2) Von diesem Teil der Gruppe war ein beträcht-
liches Stück herabgefallen. Der Kopf des Turbanträgers
und das Barett des Jünglings mit dem Buche, der in
ganzer Figur vorne sitzt, mußten teilweise ergänzt werden.
3) Eine ähnliche Gegenüberstellung der irdischen und
überirdischen Wissenschaften findet sich auch auf zwei
Lünetten Grans im Großen Saale der Hofbibliothek (Vgl.
List, 1. c., Tafel XIV u. XV) und verwandt ist auch
Trogers bald nach 1738 entstandene Allegorie auf Glauben
und Wissenschaft am Stiegengewölbe des Altenburger
Stiftes. (Dollmayr, Ber. u. Mitt. d. Altert.-Ver. zu Wien, 1. c.)

auf der von einem Atlanten gehaltenen Weltkugel
aufruht; ihre Linke hält ein aufgeschlagenes Buch.
Um die Philosophie sind die Künste und Wissen-
schaften versammelt,1) ähnlich wie sie sich in Melk
um Europa scharen. Auch hier sehen wir den Bild-
hauer und den Maler, einen jeden von beiden seine
Kunst ausübend. Daneben hält ein beturbanter Mann
eine Tafel, die von der Leinwand des Malers über-
schnitten wird und auf welcher etliche unleserliche
Worte stehen. Das erste heißt vielleicht Cicero, und
dann soll der Greis wohl auf Literatur und Sprachen-
kunde hindeuten. Links von ihm ist an Geige, efeu-
umwundener Posaune und Notenrolle die Gestalt der


Fig. 240 Bergls Selbstporträt im Gartenpavillon des
Stiftes Melk

Musik zu erkennen. Rechts vom Maler befindet sich
eine Frauengestalt mit einem Zirkel und einer
Tafel, deren Inschrift sie als Geometrie bezeichnet.
Drei Gestalten vertreten die Astronomie: ein Alter,
der mit dem Zirkel auf dem Himmelsglobus mißt,
ein Jüngling, der durch ein Fernrohr blickt, und
ein Mönch mit einer Armillarsphäre und einem
Winkelmesser, ein Blatt mit geometrischen Fig'uren
vor sich. Der andere Geistliche mit Buch und Ur-
kunde, anscheinend ein Träger höherer Würden,
soll wohl Bibliothekswissenschaft und Archivkunde
in einer Person repräsentieren. Neben ihm sitzt
die Gestalt der Architektur, an dem Blatte mit

bDie Namen der freien Künste erblickt schon Boe-
thius auf dem Gewände der Philosophie eingewebt.
 
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