Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 1.1886

DOI Artikel:
Helbig, Wolfgang: Über die Bildnisse des Platon
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29675#0087

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Helbig, Bildnisse des Platon.

Mitte hoch emporreichen und nach der Nase zu herabgezogen sind, und in der
etwas vorgeschobenen Unterlippe, einen verdriefslichen oder gar finsteren Zug. Doch
wird sich jeder unbefangene Beurtheiler vor einem Zeugnisse beugen, dessen Glaub-
würdigkeit über allem Zweifel erhaben ist. Aus einer Komödie des Amphis, eines
Zeitgenossen des Plato, sind folgende Verse erhalten:

Q nXatcov,

tuc ouosv olcr&a 7tXf(v GxuöpojTraCsiv [xovov,

(üOTtsp xOytXiac os|xvojc sTtr(pxoJC xa? ocppug3.

Sie beweisen auf das Schlagendste, dafs der Ausdruck des Plato keineswegs
heiter war, sondern finster wie derjenige der Berliner Herme und der anderen
Exemplare, die ich wegen ihrer Übereinstimmung mit derselben auf die gleiche
Persönlichkeit gedeutet. Auch findet dieser Ausdruck in den Schicksalen und in
der geistigen Entwickelung des Plato eine ganz naturgemäfse Erklärung. Das
tragische Ende des geliebten Lehrers mufste in dem Geiste des Jtinglings einen
nachhaltigen schmerzlichen Eindruck hinterlassen. Wenn sich ferner Plato nach
dem Tode des Sokrates genöthigt sah, Athen zu verlassen, so wird ihn die Entfernung
von dem Kulturmittelpunkte Griechenlands gewifs auf das Peinlichste bertihrt haben.
Dazu standen seine philosophischen Theorien in dem entschiedensten Gegensatze
zu der Wirklichkeit. Die Versuche, seine politischen Ideen durch den älteren und
jüngeren Dionysios zu realisiren, scheiterten in der kläglichsten Weise. Auch in
seiner Thätigkeit als Haupt der Akademie blieben ihm unangenehme Erfahrungen
nicht erspart. Wir wissen, wie heftig Plato ztirnte, als Aristoteles, nachdem er im
Schatten der Akademie reif geworden, ein eigenes Auditorium gründete und seinem
bisherigen Lehrer Opposition zu machen anfing4. Es leuchtet ein, dafs ein Mann,
der solche Erfahrungen gemacht hatte, nicht mit heiterer Ruhe, sondern mit düsterem
Ernste in die Welt blickte.

Ist aber einmal das Befremden beseitigt, welches der finstere Ausdruck
dieser Porträts bei oberflächlicher Betrachtung erregen könnte, so lassen sich die-
selben mit dem Bilde, welches wir uns von Plato zu machen gewohnt sind, auf das
Beste in Einklang bringen. Die hohe und breite Stirn bezeichnet deutlich den
grofsen 'Denker. Besonders charakteristisch ist der abstrakte Blick, der deutlich
eine Individualität bekundet, die sich mit theoretischen Speculationen beschäftigt
und von der Aufsenwelt Abstand nimmt5. Endlich stimmen diese Porträts auch
mit dem einzigen gleichzeitigen Zeugnis, welches uns aufser dem bereits angefiihrten
des Amphis iiber das Aussehen des Plato und seiner Schiiler erhalten ist, nämlich

3) Diog. Laert. III 28 (Fragrn. coniicor. ed. Meineke

III p. 305). Das Wort xoyXiaQ ist ofFenbar ver-
dorben, da, die Schnecke keine Augenbrauen hat

und somit aufser Stande ist dieselben emporzu-
ziehen. Uebrigens stimmen mit der Charakte-
ristik des Amphis auch einige spätere Zeugnisse.
Herakleides bei Diog. Laert. III 26 erzählt, der

junge Plato habe es stets vermieden iiberlaut zu
lachen, Aelian var. hist. III 35, das Lachen sei
in der Akademie verboten gewesen. Vgl. auch
Seneca de ira II 21, 10.

4) Diog. Laert. V 1,2.

5) Man vergleiche die berühmte Stelle im Theaetet
XXIV p. 173 c.

6*
 
Annotationen