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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 9.1894

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Heft 2
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Six, Jan: Die Mittelgruppe des östlichen Parthenongiebels
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https://doi.org/10.11588/diglit.38777#0093
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DIE MITTELGRUPPE
DES ÖSTLICHEN PARTHENONGIEBELS

Die Erforschung der Giebelgruppen des Parthenon hat einen grofsen Schritt
voran getan durch die ausführlichen Untersuchungen Sauers1. Sie bilden eine un-
schätzbare Grundlage; aber man ist nicht der Mühe überhoben, sich nach ander-
weitiger Controle umzusehen. Damit scheint Sauer in seiner Besprechung der
Gruppen nicht immer genügend gerechnet zu haben; sein Vorschlag für die Mittel-
figuren des Ostgiebels wenigstens ist nicht recht ausführbar. Zeus und Athena, zu-
sammengedrängt auf einen Theil von Block 12, auf 13 und 14, können, wie sich
jeder leicht selber überzeugen kann, nicht die genügende Höhe erreichen. Es kommt
Zeus wohl höchstens bis zu zwei Dritteln des Giebels. Es müssen sich also die
Figuren anders auf dem Giebelboden vertheilen. In wieweit Sauer dabei Recht
behält werden wir sehen.
Es war mir längst aufgefallen, dafs an dem Puteal aus Madrid" Hephästos
und Athena zwei in der Silhouette sich entsprechende Figuren bildeten, die sich
ungemein glücklich zu Gegenstücken in einem Giebel anwenden liefsen.
Dabei war es von vorn herein gewifs, dafs die Giebeltiefe auf keinen Fall
ausreiche zu einer sitzenden Zeusfigur von vorne und da ein stehender Zeus durch
alle Analogien ausgeschlossen war, so blieb nichts anders übrig als Zeus in Profil
sitzend anzunehmen. Nun ist es klar, dafs, wenn Zeus in Profil in der Mitte sitzt, eine
sehr ungleichmäfsige Füllung der beiden Hälften der Giebelmitte entsteht, im oberen
Theil wenigstens. Unten entsprechen sich der Thron und die Beine des Gottes
sammt dem Fufsschemel; oben aber reicht der Arm mit dem Scepter nicht aus
als Gegengewicht zu dem Oberkörper mit der Thronlehne.
Die Lücke, die also zwischen Zeus und Athena entsteht, mufs ausgefüllt
werden, und da bietet wiederum das Relief am Puteal die verlangte Figur. Es ist
die Nike, die auf Athena zufliegt, um sie zu bekränzen3.
Diese Überlegung veranlafste mich, einen meiner Zuhörer, einen Schüler der
Bildhauerclasse an der hiesigen Akademie, J. M. Faddegon, zu einem Reconstructions-
versuch aufzufordern.
Zunächst hat er nach meinen Anweisungen in 1/l0 der Originalgröfse Modelle
hergestellt, wobei er sich möglichst genau an das Relief des Puteal als Vorlage
gehalten hat, so jedoch, dafs die Figur des Zeus entsprechend den Anforderungen

b Athenische Mittheilungen XVI 1891 S. 59 ff.
2) Robert von Schneider, Die Geburt der Athena
Taf. 1.
3) Dieser Aufsatz war längst in den Händen der

Redaction dieser Zeitschrift, als Furtwängler’s
Meisterwerke der Griechischen Plastik erschienen,
wo auf S. 243 derselbe Gedanke in anderem Zu-
sammenhang ausgesprochen wird.
 
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