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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 9.1894

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Heft 3
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Graef, Botho: Die Köpfe der Florentiner Ringergruppe
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https://doi.org/10.11588/diglit.38777#0139
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120 Graef, Die Köpfe der Florentiner Ringergruppe.

bemessen will, und ob man letztere Werke noch direct an Skopas selbst anreihen
oder, wie ich Röm. Mitt. IV S. 224 versucht habe auszuführen, einer bereits etwas
über diesen hinausgehenden Entwickelung zuschreiben will5. Wesentliche jener
Kunstweise zukommende Eigentümlichkeiten hatte ich, nicht ohne mir auf diesem
schlüpfrigen Boden der Unsicherheit jedes Schrittes bewufst zu sein, und daher auch
mit aller Vorsicht, versucht im Anschlufs an Treu (Athen. Mitt. VI S. 407) auf Pelo-
ponnesische Kunst zurückzuführen. Eine ansprechende Betrachtung Conze’s (Berl.
Akademie) erkennt einen Hauptpunkt, nämlich das Bestreben, den Blick lebendig und
ausdrucksvoll zu gestalten, in einem Kunstgriff einer früheren Kunstperiode wieder,
welcher die Augäpfel durch Verlängerung der Lider möglichst zu beschatten suchte.
Ich habe (Athen. Mitth. XV S. 15 ff.) versucht, gerade die Werke, an denen das zu-
erst auftritt, auf die Peloponnesische Kunst zurückzuführen, und die Beteiligung der
jüngeren Äginetischen Kunst an jener ganzen Entwickelung vermutet (vgl. Arch.
Gesellschaft. März 1891. Arch. Anzeiger 1891 S. 68). Und fühlen wir nicht auch
in der lebhaften inneren Erregung, die bei aller göttlichen Ruhe in dem Ausdruck
des Olympischen Apollon liegt, im Vergleiche zu etwa gleichzeitigen attischen
Werken, etwas von demselben Unterschied der Empfindung, welcher zwischen den
Werken des Skopas und Praxiteles besteht? Gewifs können auch diese Betrach-
tungen die Ansicht, dafs Skopas und seine Nachfolger stark in den Traditionen
peloponnesischer Kunst arbeiteten, nicht zur Gewifsheit erheben, aber noch weniger
dürfte sie durch die Ausführungen von Sybels (Rom. Mitth. VI S. 241 ff.) widerlegt
sein6. Schwerer wiegen die Einwände, welche Furtwängler in seinen eben er-
schienenen »Meisterwerken« S. 432 und S. 515 macht. Die ausführliche Erörterung
und Widerlegung derselben gehört nicht hierher. So mufs vorläufig Ansicht gegen
Ansicht stehen bleiben.
Nach diesen Abwegen versuchen wir das kunsthistorische Ergebnis für die
Ringergruppe zu ziehen: sie erscheint als ein Werk, das sich am besten verstehen
läfst als Ausläufer der Kunst des vierten Jahrhunderts, wie wir sie uns in nicht-
attischen Werkstätten, noch frei von dem Einflufs Lysipp’s — vielleicht noch selb-
ständig neben ihm hergehend — denken mögen, wesentlich abhängig von den Tra-
ditionen Skopasischer Kunst, die aber nicht wie in Pergamon gesteigert, sondern,
im Gegenteil, im Sinne treuer Naturbeobachtung gemildert erscheinen — wenigstens
soweit die erhaltene Nachbildung ein Urteil gestattet.
Botho Graef.

5) Für Skopas selbst entscheidet sich beim Meleager
Furtwängler, Meisterwerke 526f, ohne jedoch
neue Argumente beizubringen.
6) von Sybel versucht den Geschmack, die Haare
aus der Stirne und in die Höhe gestrichen zu
bilden und damit die Wurzeln der »pathetischen«
Kunst nach Attika zu versetzen. Ich halte die
Haartracht für kein ausreichendes Merkmal und
weifs auch nicht, ob die durch von Sybel ange-

zogenen Monumente durchaus attisch sind. Denn
der so genannte »Alkibiades« ist keiner (vgl. Wol-
ters, Berliner Abgüsse 1321 und meine Ausführun-
gen bei Töpffer in Pauly’s RE unter Alkibiades),
und das Grabrelief vom Ilissos dürfte doch kaum
älter als Skopas sein, wird vielmehr auch in Be-
ziehung zu seinem Kreise stehen. Es giebt aber
ältere Jünglingsfiguren mit aufwärts gerichtetem
Haar, an diese hat die Untersuchung anzuknüpfen.
 
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