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Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 1): Winckelmann in Deutschland — Leipzig, 1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.5984#0018
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2)ie Erschcimmg Winckelmanns steht gleichsain an der Pferte, dic aus der
Verknöchernng und Gcschmacklosigkeit der vorhergegangenen Zeiten hinnberfiihrt
in den unscrer Erinncrung so thcuern Bezirk, wo die bei dcn neucrn Völkern
herumgchendc Leitung der gcistigen Bewegung an Deutschland kam: seinc Wcrke
gehörcn ;u den Erstlingen dcs dcntschen Genius, aber es sind Erstlinge, nach
welchen nns selbst das Höchste nicht mehr sehr nberraschen kann, was die Folge-
zeit bringen sollte.

Der Eintritt der bildenden Kunsl in den Krcis unserer Nationalbildung,
die Oessnung des griechischen Alterthums, die Anfänge der deutschen Prosa und
der deutschen Geschichtsschreibung, die Erhebung der dentschen Literatnr znr
Wcltliteratur: dieser und noch anderer Tinge ist man gewohnt sich zu crinnern,
wcnu der Name Winckelmanns genannt wird. 2n diesem Sinne ist Winckel-
mann fortwährend, am meisten jedoch von dcr nach ihm kommenden Gcneration,
mit warmer Dankbarkeit anerkannt worden; nnd Wenige nnter den crlauchtcn
Gcistern, die damals so dicht beisammen standen, möchte es gebcn, dic uicht
einigc Züge zu dem Bilde bcigetragen hätten, das als sein Nachruhm in der
tleberlieferung sorivauert.

„Jn Winckelmann war cine antike Natur, insofern man es nur von eincm
unserer Zeitgenossen behauptcn kann, wiederersckuencn; — er hatte aus den
Alten gcwonnen, was die Philologen vou ker Gilte gewöhnlich zuletzt oder
gar nicht lernen, weil cs sich nicht aus, sonderu an ihnen lernen läßt: ihrcn
Geist. — So wnrde cr den gesammtcn Alterthiimern gleichsam ein göttlicher
Ausleger; — sein Geist war unter uns wie eine von eincm sanften Himmcl her-
wehcnde Luft, die dcn Kunsthimmel der Vorzeit uns entwölkte nnd Ursache ist,
daß wir jetzt mit klarein Augc und durch keine Umneblung verhindcrt die
Sterne desselben schauen; — er gab der Sprache die imposante Würde dcr
Kunstdenkmäler, und seine Beschreibnngen machten denselben Eindruck wie die
Statue selbst; — wir vertanken ihm fast nnsere ganze Kunstsprache. Indem
er nns aber die Kunst des Altcrthums auslcgte, wurde cr cincr der Ersten,
welche die dentsche Sprache mit Würde reteten: — Teutschland ist arm an
musterhaften Prosaikcrn: Winckelmann ragt unter den wcnigen hervvr."

Vlusti, Winckclman». ^
 
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