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Keller, Erwin; Ziegelmayer, Gerfried; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Mitarb.]
Das spätrömische Gräberfeld von Neuburg an der Donau — Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte, Band 40: Kallmünz/​Opf.: Lassleben, 1979

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.70705#0068

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könnte, die im Jahre 370 halbfreien Sarmaten in
der Poebene nachfolgten 327.
Der im Vorangehenden unternommene Versuch,
den historischen Rahmen abzustecken, in welchem
sich ein Zuzug ostgermanisch-gotischer Truppen
nach Raetien vollzogen haben könnte, wurde vor
allem durch den geringen Fund- und Befundbe-
stand behindert, auf den sich die Analyse stützen
mußte. Es ist deshalb erfreulich, daß 1976 wäh-
rend der Abfassung dieses Kapitels im spät-
römischen Bestattungsplatz von Quintana-Kün-
zing 18 Gräber mit Beigaben freigelegt wer-
den konnten, die einen Vergleich mit jenen
gestatten, die aus Zone 3 des Neuburger Fried-
hofs vorliegen 328. Aus dem von S. Rieckhoff-
Pauli veröffentlichten Vorbericht, der in einer ta-
bellarischen Übersicht auch die 1914 in acht Grä-
bern geborgenen Inventare erfaßt 329, geht hervor,
daß die bisher aufgedeckten Areale zeitlich
mit Zone 3 der Neuburger Nekropole überein-

stimmen. Anhand der vorläufigen Geschlechtsdia-
gnosen läßt sich zwar augenblicklich das Verhältnis
von Männern und Frauen noch nicht exakt ange-
ben, soviel scheint aber festzustehen, daß es sich bei
allen beigabenlosen Bestattungen um Männer ge-
handelt haben dürfte 33°. Die Beigabenlosigkeit der
Männergräber zeigt sich in Künzing jedoch nicht so
ausgeprägt wie in Neuburg a. d. Donau, denn in
drei Fällen bestand die dürftige Ausrüstung aus Be-
standteilen von Feuerzeugen 331; Grab 2/1976 ergab
sogar Trachtzubehör in Form einer Eisenschnalle 332,
die bezeichnenderweise eine verdickte Bügelmitte
und somit wie jene vom Lorenzberg bei Epfach
(Abb. 5, 3) in ostgermanische Zusammenhänge ge-
hört. Daß der Fundstoff der Frauengräber einen
kulturell entsprechenden Einschlag aufweist, erhellt
daraus, daß nach Auskunft der Ausgräberin in den
Perlenketten der Bestattungen 32 und 36 Korallen
enthalten sind.

DIE BESIEDLUNGS- UND BEVOLKERUNGSVERHÄLTNISSE
IM NÖRDLICHEN DONAUVORLAND

Nach dem endgültigen Fall des obergermanisch-
raetischen Limes in den Jahren 259/260 ist das da-
hinter liegende, von Rhein, Bodensee, Iller und
oberer Donau nach Westen und Süden abgegrenzte
Land von Alamannen und Juthungen in Besitz ge-
nommen worden. Mit guten Gründen vermutet
man, daß die Juthungen, die nach der historischen
Überlieferung teils selbständig, teils im Gefolge der
Alamannen operierten, den Abschnitt an der obe-
ren Donau besetzten, wobei die Meinungen ledig-
lich in dem Punkt auseinandergehen, ob sich ihr
Stammesterritorium von der Illermündung bis Pas-
sau 333 oder vom Ries bis in die Oberpfalz 334 er-
streckte. Zur Begründung dieser Ansichten läßt sich
ihr 357 unternommener Vorstoß nach Raetien an-

führen, der nach archäologischen und numismati-
schen Zeugnissen nur von Norden über die Donau
und nicht von Westen über die Iller erfolgt sein
kann 335. Angesichts der Tatsache, daß sich ala-
mannisches und juthungisches Formengut vorerst
nicht trennen läßt und das heute noch sehr weit-
maschige Netz von Fundpunkten zu keinen brauch-
baren Vorstellungen über das tatsächliche Sied-
lungsbild von damals verhilft, ist es beim augen-
blicklichen Forschungsstand müßig, die alamanni-
schen und juthungischen Wohngebiete genauer ge-
geneinander abgrenzen zu wollen. Die Kontakte
zwischen Alamannen und Juthungen einerseits und
Rom andererseits waren nach den schriftlichen
Quellen zwar vorwiegend kriegerischer Natur, sie

327) Värady, Acta Antiqua 9, 1961, 345 f.
328) Beiträge zur Topographie und Geschichte niederbayerischer Römerorte. Beil. z. Amtlichen Schul-Anzeiger für
den Regierungsbez. Niederbayern 5/6, 1976, 57 ff.
329) Ebd. 49.
330) Ebd. 58. Gräber 1/1914, 5—6/1914, 29/1976, 37/1976, 39/1976.
331) Gräber 30—31/1976, 35/1976.
332) Wie Anm. 328 S. 51 Abb. 30, 1.
333) E. Schwarz, Germanische Stammeskunde. Germ. Bibl. Reihe 5 (1965) 174.
334) Kellner 1971, 170.
335) Eine Kartierung der in dieser Zeit vergrabenen und nicht mehr gehobenen Münzschätze gibt Garbsch in: Der
spätrömische Donau-Iller-Rhein-Limes. Kleine Sehr. z. Kenntnis d. röm. Besetzungsgesch. Südwestdeutsch-
lands 6 (1970) Abb. 3. Eine Zusammenstellung der von diesem Ereignis betroffenen Siedlungen und Gräber-
felder findet sich bei Keller 1971, 150 und 186.

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