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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 22.1906-1907

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Rosenhagen, Hans: Ein Schlusswort zur deutschen Jahrhundertausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.12155#0072

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EIN SCHLUSSWORT ZUR DEUTSCHEN JAHRHUNDERT-AUSSTELLUNG

ihre Arbeiten mit einem so eigenen Person- lerisch aber nicht fertiger denken als sie sind,

lichkeitsausdruck durchtränkte, in sich so Feuerbachs und Böcklins künstlerische Ideen

abgeschlossene Leistungen sind, daß sie in sind im wesentlichen an den Stoff der Dar-

keiner Weise mehr übertroffen werden können. Stellung gebunden. Die Idee von Marees, die

Man hat vor einigen ihrer Schöpfungen in der rein formaler Natur war, erscheint anwendbar

Ausstellung Ueberraschungen erlebt, aber die auf alles, was Malerei heißt. Dieser Künstler

Bedeutung der beiden Meister erscheint durch steht an der Pforte zu einer neuen Zukunft

das Gebotene in keiner Weise verrückt. Ganz der deutschen Malerei.

anders steht dagegen die Sache mit Hans Und so sehr uns der Blick in die Vergangen-

v. Marees. Seine Bilder wirkten in der National- heit der deutschen Kunst entzückt hat, mit

galerie wie Offenbarungen und zwar in dop- so viel Genugtuung wir vergessene Meister

pelter Beziehung. Einmal durch die darin ge- in das reiche Bild wieder eingereiht sahen

gebene Idee der Raumgestaltung, sodann durch — man verließ die Ausstellung mit dem Ge-

ihre koloristischen Eigenschaften. DerKünstler, fühl, daß es seit dem Jahre 1875, mit dem

den man für einen Spintisierer ausgegeben hatte, sie abschloß, nicht schlechter geworden ist

entpuppte sich alsein malerisches Talent ersten mit der deutschen Kunst; daß unsere Zeit

Ranges, das stets bereit war, der künstleri- den alten Werten verschiedene neue stolz an

sehen Wahrheit der Farbe jede andere Wahr- die Seiten stellen kann; daß die deutsche

heit zu opfern. Die Kraft dieses sich über Kunst sich zwar nicht so sicher und konse-

alle Bedenken fortsetzenden Temperaments quent entwickelt hat wie die französische, dieser

erklärt die unglaublich einheitliche Wirkung aber in keiner Weise an Zahl der selbständi-

der einzelnen Bilder von Marees, eine Wir- gen Persönlichkeiten und Werke nachsteht,

kung, die dadurch noch gesteigert ist, daß die Ist es nicht rühmlicher, wenn von ihr gesagt

Bildfläche ebenso voll ausgenützt wie klar wird, sie habe zu viel Originale und zu wenig

disponiert erscheint. Man kann sich diese Disziplin, als daß man behauptet, sie sei vor-

Bilder vielleicht sorgfältiger ausgeführt, künst- züglich diszipliniert, aber zu wenig originell?

MAX JOSEPH WAGENBAUER (1775-1829) STIER

Retrospektive Aasstellung München 1906

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