DAS WEISS IN DER DEUTSCHEN MALEREI DES 19. JAHRHUNDERTS
Von Anna L. Plehn
Die Physik will nicht zugeben, daß Weiß es mit dem Weiß gewesen. Der Maler wird
eine Farbe sei. So wenig wie sein Gegen- sagen: aus den warmen Farben sind eben
teil „Schwarz". Aber die Maler haben sich kalte geworden.
nie an diese Behauptung gekehrt und solange Die nähere Ausführung dieser Beobachtung
Pinsel über irgend einen Malgrund wanderten, hat ihr Autor sich vorbehalten, sie ist aber
sind Weiß und Schwarz als Farben behandelt nicht erfolgt.
worden. Freilich war es etwas ganz anderes Jedenfalls aber ist diese Entwicklung keine
als die Abstraktion, welche die Herren Ge- stetige gewesen. Zeiten, die auf einen kühlen
lehrten mit diesen Namen belegten. Stets Gesamtton hinarbeiten und die auch Schwarz
hatten das absolut Helle und das absolut und Weiß in diesem Sinne behandelten, folg-
Dunkle teil an den anderen"Farben — waren ten solche, in denen man sich wieder zur gegen-
also eigentlich nichts Absolutes. Wenn die teiligen Gepflogenheit bekannte. Oft wurde der
Wissenschaft behauptet, Weiß sei keine Farbe, Anschluß an irgend welche älteren Vorbilder
so antwortet die Malerei ungefähr: „Weiß, für solche Schwankungen maßgebend,
wirkliches Weiß, gibt es gar nicht, es gibt nur Eine besondere Beschleunigung zugunsten
von Helligkeit durchtränkte Farbe". der kühlen Farbenreihe erfolgte durch die
A. Ewald*) macht die interessante Bemer- Malerei des 19. Jahrhunderts. Alles, was sich
kung, daß im Laufe der Zeiten das Schwarz ungefähr Blau nennen läßt, wurde hervor-
und Weiß ihren Charakter geändert hätten, gesucht, weil der Unterschied gegen die war-
Denn wie seit dem Untergange der antiken men Töne mehr als je früher betont werden
Kultur die Wertschätzung des Gelb immer sollte. Obwohl es nicht an Ausnahmen fehlt,
mehr zugunsten des Blau abgenommen habe, so ist diese Anschauungsweise in hohem Grade
so sei auch das Schwarz aus einer Art dunklen bezeichnend für die Epoche geworden, in der
Brauns immer mehr zu einer mit Blau wir leben. Und da gleichzeitig die Hellmalerei
gesättigten Dunkelheit geworden. Ebenso sei ihre Glanzperiode hat, so bildet besonders
das Schicksal des Weiß ein interessantes Ka-
*) Arnold Ewald, Die Farbenbewegung, Berlin 1876. pitel. Und so erschien es mir sehr lohnend,
reinhold begas
Die Kunst für Alle XXII.
stierstudie für das schlachthaus in
137
budapest
18
Von Anna L. Plehn
Die Physik will nicht zugeben, daß Weiß es mit dem Weiß gewesen. Der Maler wird
eine Farbe sei. So wenig wie sein Gegen- sagen: aus den warmen Farben sind eben
teil „Schwarz". Aber die Maler haben sich kalte geworden.
nie an diese Behauptung gekehrt und solange Die nähere Ausführung dieser Beobachtung
Pinsel über irgend einen Malgrund wanderten, hat ihr Autor sich vorbehalten, sie ist aber
sind Weiß und Schwarz als Farben behandelt nicht erfolgt.
worden. Freilich war es etwas ganz anderes Jedenfalls aber ist diese Entwicklung keine
als die Abstraktion, welche die Herren Ge- stetige gewesen. Zeiten, die auf einen kühlen
lehrten mit diesen Namen belegten. Stets Gesamtton hinarbeiten und die auch Schwarz
hatten das absolut Helle und das absolut und Weiß in diesem Sinne behandelten, folg-
Dunkle teil an den anderen"Farben — waren ten solche, in denen man sich wieder zur gegen-
also eigentlich nichts Absolutes. Wenn die teiligen Gepflogenheit bekannte. Oft wurde der
Wissenschaft behauptet, Weiß sei keine Farbe, Anschluß an irgend welche älteren Vorbilder
so antwortet die Malerei ungefähr: „Weiß, für solche Schwankungen maßgebend,
wirkliches Weiß, gibt es gar nicht, es gibt nur Eine besondere Beschleunigung zugunsten
von Helligkeit durchtränkte Farbe". der kühlen Farbenreihe erfolgte durch die
A. Ewald*) macht die interessante Bemer- Malerei des 19. Jahrhunderts. Alles, was sich
kung, daß im Laufe der Zeiten das Schwarz ungefähr Blau nennen läßt, wurde hervor-
und Weiß ihren Charakter geändert hätten, gesucht, weil der Unterschied gegen die war-
Denn wie seit dem Untergange der antiken men Töne mehr als je früher betont werden
Kultur die Wertschätzung des Gelb immer sollte. Obwohl es nicht an Ausnahmen fehlt,
mehr zugunsten des Blau abgenommen habe, so ist diese Anschauungsweise in hohem Grade
so sei auch das Schwarz aus einer Art dunklen bezeichnend für die Epoche geworden, in der
Brauns immer mehr zu einer mit Blau wir leben. Und da gleichzeitig die Hellmalerei
gesättigten Dunkelheit geworden. Ebenso sei ihre Glanzperiode hat, so bildet besonders
das Schicksal des Weiß ein interessantes Ka-
*) Arnold Ewald, Die Farbenbewegung, Berlin 1876. pitel. Und so erschien es mir sehr lohnend,
reinhold begas
Die Kunst für Alle XXII.
stierstudie für das schlachthaus in
137
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