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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 22.1906-1907

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Plehn, Anna L.: Das Weiss in der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.12155#0169

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DAS WEISS IN DER DEUTSCHEN MALEREI DES 19. JAHRHUNDERTS

gliedrigeren Kolorismus einzuleiten, der schon
auf die spätere Entwicklung vorbereitet.

Liebermann behandelte das Weiß niemals
als Grau, und es ist bis heutigen Tages bei
ihm nicht zum Blau geworden. Wie so viele
alte und auch moderne Maler hat er selten
viel Weiß haben wollen. Gerade weil er es nicht
dem Augenschein entgegen färben mochte.
Schon in den Gänserupferinnen (1872) war
ein kleiner Fleck reinsten Weiß die stärkste
Note der im Dunkel ringenden Farben. Es
war das Licht, das durch die kleine Hinter-
grundsluke hereinschien. Bei den Bildern
von Feldarbeitern gab es auch gewöhnlich
nur ein oder zwei Flecke von Weiß an den
trübfarbigen Anzügen. Uebrigens neigte es in
der Regel damals eher ein wenig zum Gelben,
da die Gesamthaltung eher warm als kühl
war. Am meisten breitet sich das Weiße bei
den Amsterdamer Waisenmädchen aus, wo
es auch neben dem starken Rot und Schwarz
lebhafter und kühler wurde als sonst. Bei
den Bildnissen der letzten Jahre kommt auch
immer ein wenig ganz ungemischtes Weiß vor,
wie es aus der Tube kommt. Also kühl.
Daneben steht etwas rötlich gemischtes Weiß
und die ungedeckte Leinwand für Halbtöne

RF.INHOLD BEGAS HAGAR UND ISMAEL

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(Bildn. von Berger). Die übrigen Farben
Liebermanns haben sich in allerjüngster Zeit
mehr zum Kühlen gewandelt. Er bringt gele-
gentlich wirkliches Blau, was er früher kaum
zuließ. Dadurch muß auch sein Weiß beein-
flußt werden in einer Richtung, die im ganzen
der Behauptung Ewalds nicht unrecht gibt.:)
Trotzdem ist die Hinneigung zum Blau —
auch in der Malerei der Pointillisten — zu
schnell gekommen und oft zu radikal aufge-
treten, als daß man glauben könnte, die Malerei
würde dabei stehen bleiben. Viel blauer kann
es nicht mehr werden, wenn das Wort „Weiß"
überhaupt noch eine Bedeutung behalten soll,
und da die Fähigkeit, eine bestimmte Art von
Kolorismus zu genießen, niemals eine sehr
lange Zeit bestehen bleibt, so darf man auch
annehmen, daß, was heute an der Tagesord-
nung ist, wieder anderen Auffassungen Platz
machen wird.

*) Einige Zeit, nachdem dies geschrieben wurde,
erhielt obige Vermutung ihre Bestätigung durch die
jüngsten Dünenstudien Liebermanns, welche im
November 1H06 bei Cassirer erschienen. Das Weiß
und auch das Luftgrau war darin kühler geworden,
mehr dem warmgefärbten Terrain entgegengesetzt
als je vorher.

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