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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 22.1906-1907

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Meier-Graefe, Julius: Max Liebermann
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https://doi.org/10.11588/diglit.12155#0214

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-^s£> MAX LIEBERMANN <^ä=^

konnte man glauben, er spräche sein letztes beleseneren Künstler, wenig gebildetere Deut-
Wort, und wirklich kamen ein paar flaue Jahre. sehe, keinen feineren Sammler in seinem Ge-
Erst als er die fünfzig überschritten, sollte biet, keinen aufnahmefähigeren, lebendigeren
ihm beschert sein, das Barbarentum in Har- Esprit, nicht nur im Sinne seines berühmten
monie zu lösen. Die zehn Jahre nach den Witzes, keinen „schöneren Geist", hätte man
anderen entstandenen Gemälde haben dieselbe vor fünfzig Jahren gesagt. Nicht nur als
Kraft, nur unendlich mehr Kultur. Alle Härte Fachmann arbeitet er unaufhörlich an sich,
des Temperaments ist in Farbe gelöst, nichts Wenn man ihm die Geduld zutraute, könnte
verloren, nur dazu erobert, und heute fragen man eines Tages auf ein „Journal" gefaßt
wir uns: was wird uns das nächste Dezen- sein, das dem des großen Franzosen kaum
nium bescheren? nachstände. Seit Jahren schreibt er; seine
Dieses stete Aufsteigen verdankt Lieber- letzten Aufsätze*) gehören zum besten, was
mann allem möglichen, zuerst seinem Genie, in Deutschland über Kunst gesagt wurde, und
nicht zuletzt seiner Intelligenz. Bei seiner er dürfte fähig sein, das Wörterbuch der
Art, das Leben zu nehmen, wird man an einen Kunstbegriffe zu schaffen, das Delacroix vor-
großen Meister, den ersten der modernen schwebte und von dem er Bruchstücke hinter-
Malerei erinnert, von dem er durch Zeit, Ort, lassen hat. Wie dieser verkehrt er mit allen
Art und Rasse weit geschieden ist und der Leuchten der Nation und führt eine aus-
ähnlich lebte und wirtschaftete, an Delacroix. gedehnte Korrespondenz. Sein Haus steht
Aus der reichen Kultur seiner Zeit, aus seiner jedem Gebildeten offen, und jeder Künstler,
eigenen umfassenden Bildung und einer sei- der im Ausland etwas bedeutet, kommt zu
tenen Fähigkeit, alles Schöne und Werte der ihm. Merkwürdig könnte scheinen, daß er,
Welt genießen zu können, aus seinen zahl- bei Lichte betrachtet, trotz alledem ebenso-
losen Beziehungen zu hervorragenden Men- wenig Freunde hat wie einst Delacroix trotz
sehen, baute Delacroix sein Leben. Aber das der „Correspondence", trotz allen Besuchen
Zentrum dieser Welt war seine Kunst. Nach und Diners, von denen wir wissen. Bei dem

ihr richtete er alles andere, ihr opferte er ———— ,....„ . . , . .

,, , . . j t- j . Pi j *l Namentlich die »Fantasie in der Malerei« im

selbst Liebe und Freundschaft; und was er Märzheft 1904 der )Neuen deutschen Rundschau«

sich an Bequemlichkeit gönnte, die Schonung (S. Fischer) soll demnächst zum Band erweitert bei
seiner Gesundheit, geschah ausschließlich zum Bard erscheinen. Vorher, außerder erwähnten Israel-
besten seines Werkes. Ganz ähnlich, natür- Studie eine noch bessere über Degas (B. Cassirer
,. , . ... III. Auflage 1902) endlich ein Aufsatz >Z\vei Holz-
hch mit verschiedenen Elementen, macht sich schnitte v6on Manet< im Januarneft des Jahres 1905

Liebermann seine Welt zurecht. Es gibt keinen der Zeitschrift »Kunst und Künstler« (B. Cassirer).

max lieber mann dorfstrasse in holland

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