Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 22.1906-1907

DOI Artikel:
Térey, Gábor: George Sauter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12155#0284

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-»«£^> GEORGE SAUTER <^ä«*-

dämpft, leise dem Gesamtton des Bildes unter- eigentümliche Haltung der rechten Hand mit
geordnet. Wie die Farbengebung bei Sauter der Tabakspfeife etwas gewollt erscheinen —
durch den Gegenstand bestimmt wird, so auch es ist Größe und Stil in dieser Auffassung,
die Pinselführung. Bei männlichen Porträts das Bild ist einer höheren Gesetzmäßigkeit
ist er immer ruhig und breit, das Stoffliche unterworfen und hat mit dem Geschmack der
tritt in den Hintergrund; wo es an die Be- Menge und ihren Anforderungen herzlich
handlung der Gesichtszüge geht, wird die wenig zu tun. Ebenso das Bildnis des Prinzen
Pinselführung feiner, nervöser, man sehe z. B. Troubetzkoy (s. Abb. Jahrg. XIII S. 45). Kühn
das Porträt des Professors Max Müller in und sicher hat der Künstler da sein Modell
Oxford. Einen Kopf mit ruhigem gelassenen hingestellt. Der Ton des Gesichts wird durch
Gesichtsausdruck faßt er breit und monu- das weiße Turnerhemd gehoben, das durch
mental auf; die Augen läßt er mit unglaub- den zurückgeschobenen dunklen Rock in einer
lieh lebendiger Kraft auf den Beschauer Kurve abgeschlossen wird — ein feiner Kon-
blicken. Die Geste ist immer dem Wesen trast zu der strengen Profilrichtung des Kopfes,
angepaßt, oder vielmehr ist sein Ergebnis, nie- Ist Sauter, wo er Männer malt, einfach, zurück-
mals als eine fremde Pose. Ein Meisterstück haltend in der Behandlung des Stofflichen,
von velazquezartiger Wirkung ist das Porträt so wird er ein anderer, sobald er in die
des verstorbenen Erzherzogsjoseph von Oester- Sphäre weiblicher Schönheit und Grazie tritt,
reich. Wer von unseren heutigen Künstlern Was ihn von der Frau vor allem anzieht, ist
hätte den Mut, einen Menschen, so jeder das ästhetische ihrer Erscheinung. Als die
Aeußerlichkeit bar, so ohne alle Absicht des Trägerinnen edler, weicher Stoffe, als Hüterin-
Verschönerns darzustellen ? In dieser Einfach- nen vornehmen, stillen Wesens, als Geschöpfe
heitistGröße. Mag auch die umgehängtejoppe, einer Welt, in die der Tageslärm nicht dringt,
die so kerzengerade herunterfällt, oder die sieht er sie. Er stellt sie dar in den Räumen, in

denen sie leben, die sie nach ihrem
Bedürfnis und ihrem Wesen aus-
gestattet haben. Diese Räume ge-
hören zu ihnen und sind ihr bester
Hintergrund. Wenn Sauterin diese
Welt eintritt, feiert er wohl die
erhabensten und feinsten Feste
der Seele. Die „Frühlingsklänge"
(München,Neue Pinakothek),siehe
unser Titelbild, sind ein solches
Fest. Zwei Frauengestalten beim
Klavier. Die eine im lichten Ge-
wände, das schwermütige Haupt
vorgeneigt, spielt. Die andere
steht, den Rücken dem Beschauer
zugewendet, im Vordergrund. Sie
ist dunkel und groß und ihr Ge-
wand fließt in großzügigen Linien
an ihr herunter. Die breiten
Fenster des Gemachs blicken auf
eine Vorfrühlingslandschaft, die
in ihrem Gemisch von toten und
zum Leben erwachenden Tönen
etwas Sehnsüchtig-Schwermütiges
an sich hat. Man hat ein Gefühl,
als hörte man Schubert: „Nun
muß sich alles, alles wenden."
Was bei diesem Bilde dem Künst-
ler so vollkommen gelungen ist,
das ist die Verschmelzung des
äußerlich ästhetisch Schönen und
des seelischen Inhalts. Oft über-
wiegt bei Sauter das Wohlgefallen
george sauter Inspiration am Schönen, an Farbenreiz und

254
 
Annotationen