Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 22.1906-1907

DOI Artikel:
Carnap, Wilhelmine von: Porträtminiaturen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12155#0330

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
p. a. hall

die familie des künstlers

PORTRATMINIATUREN

Von W.von Carnap

Wie kommt's nur, daß gegenwärtig, in den
Kreisen der großen Gesellschaft zumal,
eine so große Freude und Wertschätzung alter
Porträtminiaturen erwacht ist, daß diese Freude
von Jahr zu Jahr zu wachsen scheint — ohne
daß wir schon große Porträtminiaturisten hätten,
die für ein einziges Bildchen ebensoviele Tau-
sende fordern könnten, als das Bildchen an
Quadratzentimetern umfaßt?

Von den Museen kommt solche Freude
gewiß nicht. Da sind die feinen Arbeiten
zumeist in großen Reihen zusammengedrängt
ausgestellt, als ob nur die Masse solche künst-
lerische Werke wertvoll mache, als ob das Vor-
nehme nur wirken könne, wenn es sich in
Menge zeigt.

Und doch äußert sich das Interesse für
Miniaturen am stärksten als Erscheinung einer
besonderen Art kunstsammlerischer Tätigkeit.
Wenn mehr Porträts en miniature bestellt
würden, hätten wir wahrscheinlich schon eine
ganze Reihe von Künstlern und Künstlerinnen,
die mit unseren berühmten Porträtisten der
Gegenwart erfolgreich rivalisieren könnten.

Die Freude an gewissen herrschenden Ge-
schmacksnoten des 18. Jahrhunderts ist's wohl,
die uns die steigende Wertschätzung feiner
Miniaturporträts genugsam schon erklären
könnte, wenn wir zunächst an die große Zahl
der Sammler solcher Bijoux, weniger an die
sehr, sehr kleine Zahl der Bestellerinnen und
Besteller denken. — Denn nicht zufällig ge-
hören die schönsten und höchstbezahltesten
Miniaturen dem großen vorrevolutionärenjahr-
hundert an.

Wie die Schabkunstblätter des 18. Jahrhun-
derts eines Bartolozzi, eines John Smith, eines
Richard Earlom, eines Green auf einer Höhe
des Preises stehen, die kaum mehr gesteigert
werden dürfte, wie die englischen Gemälde
eines Gainsborough, Romney, Raeburn, Hopp-
ner, die gerade in jenen Schabkunstblättern
unübertrefflich kopiert und vervielfältigt wur-
den, wenigstens in jenen Kreisen gegenwärtig
außerordentlich hoch geschätzt werden, die
schon aus einer gefestigten Kulturtradition
heraus als wählerische Kenner uns entgegen-
treten, — so ist die Freude an Porträtminia-

Uie Kunst für Alle XXII. 13. r. April 1907.

297

38
 
Annotationen