AUS EUGENE DELACROIX' TAGEBUCH — MÜNCHNER KUNSTSCHAU
hinter Schloß und Riegel sitzt, daß man eine der schweizerischen Künstlerschaft — Albert
angenehme Gegend besser beschreibt, wenn We;-t'- v°n ihm uwar zwar keines seiner Haupt-
. . ° p o i j j werke zur Stelle, aber was wir an „Schnitzeln zu
man in einer dumpfen Stadt wohnt und den sehen bekamelli war immer noch interessant genug,
Himmel nur durch eine Luke und durch die namentlich soweit es sich um die Entwürfe zu seiner
Schornsteine hindurch sieht. „Landsgemeinde" handelt, dem großen Fresko, mit
* * dem Welti einen Saal im Bundesratspalast in Bern
. , „ . * . . „ . schmücken soll. — Auch Karl Hofer ist ein
Ich hebe den Bombast bei Rubens, ich liebe Schweizer, ein sonderbarer Künstler, der eigen-
seine übertriebenen und hingefeuerten Formen. brödlerisch seinen mir unklaren Zielen entgegen-
Ich bete sie an mit der ganzen Verachtung, strebt. Er ging von Hodler aus, kokettierte eine
die mir die zuckersüßen Puppen der Mode- Zeitlang mit Cezanne und läßt sich jetzt - wie
. seine Kollektion in der „Modernen Galerie lehrt —
maierei einrloIJen. einem Zug der Zeit folgend, mit den alten Meistern
* ein. Er wirft feurige Blicke auf Tintoretto und
Es gibt einen Maler, der hell malt ohne Greco, und ein Bild wie seine „Grablegung", das
heftige Kontraste, der das Freilicht malt, das Hauptstück der Serie, hat kompositionelle An-
. , -«-«_«• ^ , klänge an romische Cinquecentisten. Ich bin be-
man uns immer als unmöglich hinstellt: das gierig) w0 Hofer; der merkwürdigste und vielleicht
ist Paul Veronese. Meiner Ansicht nach ist — so man darin nicht zuviel Widerspruch erblickt
er vielleicht der einzige, der das ganze Ge- — persönlichste Eklektiker, enden wird. — Im
heimnis der Natur durchschaut hat. Man Kunstverein ging es all die Zeit über sehr brav und
, . . . , . ,__ , gesittet her. Die sogenannte Prinzreeenten-Jubi-
braucht ihn nicht gerade nachzuahmen, aber iäums.AuSstellung vermittelte durch meist etwas zu
man kann viele Wege verfolgen, an denen miniaturhaft geratene Bildchen immerhin einen un-
er gleichsam Fackeln aufgestellt hat. gefahren Ueberblick über den Stand der Münchner
* * Kunst vor zwanzig Jahren: der Schwerpunkt dieser
„ T,.. .. „ ,.* „ . . , . Ueberschau lag in den gezeigten graphischen Ar-
Der Kunstler muß die Natur zwingen, durch beiten; unter denen eine Handzeichnung Leibis
seinen Kopf und durch sein Herz zu gehen. durch ganz glänzende Qualität auffiel. Von den
* * sonstigen Kollektionen, die es im Kunstverein zu
Wenn man die Natur ohne den Einfluß der sehen gab, hebe ich die Serie Charles Vetters
... .. „ . . . ..„ hervor: dieser Kunstler malt in fröhlicher Buntheit,
Meister studiert, muß man einen viel größeren etwas plakatartigdraufgängerisch, Münchner Veduten.
Stil erlangen. % Schade, daß sie nicht etwas luftiger sind, so etwa
* wie Pissarros Pariser Stadtbilder. Vieles klebt und
Ein Kunstwerk würde niemals veralten, wenn ist. schu;er bei Ve»er- }ci\ gebe aus diesem Grund
„.,„.. . , t- c seinen Interieurs, die ja der Luftmalerei eher ent-
es allein das Gepräge einer wahren Empfin- raten können, den Vorzug. Hier, wo der Künstler
dung trüge ; die Sprache der Leidenschaft, die besonders auf Tonwirkung arbeiten kann, scheint
Bewegungen des Herzens sind immer dieselben, sein eigentliches Feld zu sein. g.j. w.
Die Effektmittel, die aller Welt zu Gebole
stehen, die im Moment, wo das Werk kom- Q|£ DRITTE AUSSTELLUNG DER
poniert wurde, in der Mode waren, drücken BERLINER „NEUEN SEGESSION"
dem Werke unvermeidlich den Stempel des
veralteten auf und verdunkeln manchmal die Rund ein halbes Hundert Bilder führen die Mit-
..n Q ... , . 11 glieder der Neuen Secession dem Publikum vor,
groiiten scnonneiten. das ihren Bestrebungen bisher wohl wenig Liebe
gezeigt hat. Das ist begreiflich, denn es gehört
schon ein bißchen guter Wille dazu, in diesen ge-
MÜNCHNER KUNSTSGHAU legentlich recht ungebärdigen Werken die Absicht
ihres Schopfers herauszulesen. Auf jeden Fall ist
Von der starken und eigenartigen Kunst der zeit- mit einer Generalverdammung nichts getan, die ist
genössischen Schweiz legte eine Ausstellung Zeug- immer billig und fällt doppelt auf den Voreiligen
nis ab, die von der Galerie Heinemann veranstaltet zurück, sobald sich aus dem vermeintlichen Unsinn
wurde. Es handelte sich freilich nur um ein Segment jugendlich aufstrebender Kräfte hier und da eine
der Schweizer Künstlerschaft, denn nur die in künstlerische Persönlichkeit deutlicher heraushebt.
München lebenden Maler und Bildhauer schweize- Eine Anzahl der Sachen, die es diesesmal zu sehen
rischen Stammes hatten sich zusammengefunden, gibt, sind überhaupt gar nicht so verblüffend in
aber der Eindruck eines Gesamtbildes blieb dennoch ihrer Erscheinung, sie schließen sich deutlich genug
bestehen, da man Werke sah, die so vortreffliche an Bilder bekannter moderner Maler an. Ich denke
Künstler zu Urhebern haben wie W. L. Lehmann, dabei an Harold Bengen, einen sympathischen
C. Th. meyer-Basel, Buri, Balmer, Hans Brühl- Koloristen und guten Zeichner, aus dessen „Mäd-
mAnn (von dem man wohl noch besonders viel chen am Strande" die Erinnerung an Ludwig von
erwarten darf), Fritz Kunz, Alfred Marxer Hofmanns ältere Zeit erkennbar ist, oder an Walter
(der uns mit seinen Stilleben vor kurzem auch Helbig, dessen wirksame Schweizer Landschaft
in einer Separatausstellung bei Zimmermann be- aufs stärkste von Hodler beeinflußt ist. Einer der
gegnete), Parin, Osswald, Thomann, Völlmy, älteren Vertreter der neo-secessionistischen Ten-
Würtenberger und — alle überragend, der Führer denzen, Christian Rohlfs, hat ein Blumenstück,
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hinter Schloß und Riegel sitzt, daß man eine der schweizerischen Künstlerschaft — Albert
angenehme Gegend besser beschreibt, wenn We;-t'- v°n ihm uwar zwar keines seiner Haupt-
. . ° p o i j j werke zur Stelle, aber was wir an „Schnitzeln zu
man in einer dumpfen Stadt wohnt und den sehen bekamelli war immer noch interessant genug,
Himmel nur durch eine Luke und durch die namentlich soweit es sich um die Entwürfe zu seiner
Schornsteine hindurch sieht. „Landsgemeinde" handelt, dem großen Fresko, mit
* * dem Welti einen Saal im Bundesratspalast in Bern
. , „ . * . . „ . schmücken soll. — Auch Karl Hofer ist ein
Ich hebe den Bombast bei Rubens, ich liebe Schweizer, ein sonderbarer Künstler, der eigen-
seine übertriebenen und hingefeuerten Formen. brödlerisch seinen mir unklaren Zielen entgegen-
Ich bete sie an mit der ganzen Verachtung, strebt. Er ging von Hodler aus, kokettierte eine
die mir die zuckersüßen Puppen der Mode- Zeitlang mit Cezanne und läßt sich jetzt - wie
. seine Kollektion in der „Modernen Galerie lehrt —
maierei einrloIJen. einem Zug der Zeit folgend, mit den alten Meistern
* ein. Er wirft feurige Blicke auf Tintoretto und
Es gibt einen Maler, der hell malt ohne Greco, und ein Bild wie seine „Grablegung", das
heftige Kontraste, der das Freilicht malt, das Hauptstück der Serie, hat kompositionelle An-
. , -«-«_«• ^ , klänge an romische Cinquecentisten. Ich bin be-
man uns immer als unmöglich hinstellt: das gierig) w0 Hofer; der merkwürdigste und vielleicht
ist Paul Veronese. Meiner Ansicht nach ist — so man darin nicht zuviel Widerspruch erblickt
er vielleicht der einzige, der das ganze Ge- — persönlichste Eklektiker, enden wird. — Im
heimnis der Natur durchschaut hat. Man Kunstverein ging es all die Zeit über sehr brav und
, . . . , . ,__ , gesittet her. Die sogenannte Prinzreeenten-Jubi-
braucht ihn nicht gerade nachzuahmen, aber iäums.AuSstellung vermittelte durch meist etwas zu
man kann viele Wege verfolgen, an denen miniaturhaft geratene Bildchen immerhin einen un-
er gleichsam Fackeln aufgestellt hat. gefahren Ueberblick über den Stand der Münchner
* * Kunst vor zwanzig Jahren: der Schwerpunkt dieser
„ T,.. .. „ ,.* „ . . , . Ueberschau lag in den gezeigten graphischen Ar-
Der Kunstler muß die Natur zwingen, durch beiten; unter denen eine Handzeichnung Leibis
seinen Kopf und durch sein Herz zu gehen. durch ganz glänzende Qualität auffiel. Von den
* * sonstigen Kollektionen, die es im Kunstverein zu
Wenn man die Natur ohne den Einfluß der sehen gab, hebe ich die Serie Charles Vetters
... .. „ . . . ..„ hervor: dieser Kunstler malt in fröhlicher Buntheit,
Meister studiert, muß man einen viel größeren etwas plakatartigdraufgängerisch, Münchner Veduten.
Stil erlangen. % Schade, daß sie nicht etwas luftiger sind, so etwa
* wie Pissarros Pariser Stadtbilder. Vieles klebt und
Ein Kunstwerk würde niemals veralten, wenn ist. schu;er bei Ve»er- }ci\ gebe aus diesem Grund
„.,„.. . , t- c seinen Interieurs, die ja der Luftmalerei eher ent-
es allein das Gepräge einer wahren Empfin- raten können, den Vorzug. Hier, wo der Künstler
dung trüge ; die Sprache der Leidenschaft, die besonders auf Tonwirkung arbeiten kann, scheint
Bewegungen des Herzens sind immer dieselben, sein eigentliches Feld zu sein. g.j. w.
Die Effektmittel, die aller Welt zu Gebole
stehen, die im Moment, wo das Werk kom- Q|£ DRITTE AUSSTELLUNG DER
poniert wurde, in der Mode waren, drücken BERLINER „NEUEN SEGESSION"
dem Werke unvermeidlich den Stempel des
veralteten auf und verdunkeln manchmal die Rund ein halbes Hundert Bilder führen die Mit-
..n Q ... , . 11 glieder der Neuen Secession dem Publikum vor,
groiiten scnonneiten. das ihren Bestrebungen bisher wohl wenig Liebe
gezeigt hat. Das ist begreiflich, denn es gehört
schon ein bißchen guter Wille dazu, in diesen ge-
MÜNCHNER KUNSTSGHAU legentlich recht ungebärdigen Werken die Absicht
ihres Schopfers herauszulesen. Auf jeden Fall ist
Von der starken und eigenartigen Kunst der zeit- mit einer Generalverdammung nichts getan, die ist
genössischen Schweiz legte eine Ausstellung Zeug- immer billig und fällt doppelt auf den Voreiligen
nis ab, die von der Galerie Heinemann veranstaltet zurück, sobald sich aus dem vermeintlichen Unsinn
wurde. Es handelte sich freilich nur um ein Segment jugendlich aufstrebender Kräfte hier und da eine
der Schweizer Künstlerschaft, denn nur die in künstlerische Persönlichkeit deutlicher heraushebt.
München lebenden Maler und Bildhauer schweize- Eine Anzahl der Sachen, die es diesesmal zu sehen
rischen Stammes hatten sich zusammengefunden, gibt, sind überhaupt gar nicht so verblüffend in
aber der Eindruck eines Gesamtbildes blieb dennoch ihrer Erscheinung, sie schließen sich deutlich genug
bestehen, da man Werke sah, die so vortreffliche an Bilder bekannter moderner Maler an. Ich denke
Künstler zu Urhebern haben wie W. L. Lehmann, dabei an Harold Bengen, einen sympathischen
C. Th. meyer-Basel, Buri, Balmer, Hans Brühl- Koloristen und guten Zeichner, aus dessen „Mäd-
mAnn (von dem man wohl noch besonders viel chen am Strande" die Erinnerung an Ludwig von
erwarten darf), Fritz Kunz, Alfred Marxer Hofmanns ältere Zeit erkennbar ist, oder an Walter
(der uns mit seinen Stilleben vor kurzem auch Helbig, dessen wirksame Schweizer Landschaft
in einer Separatausstellung bei Zimmermann be- aufs stärkste von Hodler beeinflußt ist. Einer der
gegnete), Parin, Osswald, Thomann, Völlmy, älteren Vertreter der neo-secessionistischen Ten-
Würtenberger und — alle überragend, der Führer denzen, Christian Rohlfs, hat ein Blumenstück,
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