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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Sievers, Johannes: Berliner Ausstellungen
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Neue Kunstliteratur - Personal-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0416

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BERLINER AUSSTELLUNGEN — NEUE KUNSTLITERATUR

stark begabt, versteht es wirklich, mit und aus der
Farbe heraus seine Komposition aufzubauen, mögen
es nun Landschaften, Stilleben oder Porträts sein,
aber sein Blick ist gar zu deutlich sichtbar auf große
Vorbilder wie van Gogh oder Cezanne gerichtet, das
schadet dem Eindruck ganz entschieden. Zu seinen
besten Schöpfungen möchte ich ein Tomatenstill-
leben rechnen: neben einer kleinen Porzellanschale
mit hellroten Tomatenscheiben liegen ein paar ganze
Früchte, tiefrot in der Farbe auf dem leicht spiegeln-
den Holz eines Mahagonischrankes. Das ist sehr
fein, wie das Blau-Weiß des Gefäßes mit dem ver-
schiedenen Rot der Früchte und dem dünnen Gelb
des Oeles, in dem die Scheiben schwimmen, zu-
sammengestimmt ist! Hans Purrmann, auf den
man vor Jahren größere Hoffnungen setzte, scheint
sich noch recht im Stadium tastender Entwicklung
zu befinden, die starke Unklarheit und Weichlich-
keit von Farbe und Modellierung, läßt noch keine
sicheren Tendenzen erkennen. Julius Pascin, der
Illustrator, der das Pikante liebt, stellt einen „Markt
in der Provinz" aus, eine Zeichnung mit vielen,
trocken gezeichneten Figuren, wenig reizvoll, so
trocken fast wie Zille dergleichen zu machen pflegt.
— Bei Gurlitt tritt Carlo Böcklin mit einer Reihe
toskanischer Landschaften auf, in denen er sich be-
müht, das Helle, Staubiggraue der dortigen Atmo-
sphäre zu veranschaulichen, gelegentlich nicht ohne
Erfolg, wenn auch die Farbengebung selbst etwas gar
zu dürr und unporös wirkt. Der Karlsruher Arthur
Grimm zeigt stark von Trübner beeinflußte Land-
schaften und Hans Sutter ist unter dem Zeichen
Leibis zu einer fast ängstlichen Routine in der
Nachahmung der breiten Technik und der Farben-
kombinationen dieses Künstlers gelangt. Die Kol-
lektion des Neuchäteler Malers P. Th. Robert ver-
einigt eine Zahl von Landschaften von ziemlich
geringem malerischen Wert. Corinth ist mit einem
1909 datierten Selbstporträt von starkem Ausdruck
vertreten. — Schulte veranstaltet eine ZCgel-Aus-
stellung, die bei anderer Gelegenheit schon einmal
an dieser Stelle besprochen wurde. Daneben ist
Robert von Haug in Stuttgart mit einer Kollektion
größerer Werke vertreten, die manchmal fein be-
obachtete Luftstimmungen zeigen, aberdoch nur ober-
flächliche Wirkungen auszuüben vermögen. Eine An-
zahl solider Landschaften sandte Richard Pietzsch
in Wolfratshausen. Prachtvoll ist ein Liebermann
der älteren Zeit, „Der zwölfjährige Jesus im Tempel",
ein Bild von kraftvoller Sicherheit der Gestaltung
und Charakterisierung und einem geradezu erstaun-
lichen malerischen Reichtum. Erfreuliches Zeugnis
für die langsam wieder erwachende Kunst der Glas-
malerei legt eine von der Firma J.Schmidt in Berlin
im Alten Lipperheidepalais veranstaltete Ausstellung
ab. Eine Reihe Kopien nach alten Originalstücken
beweist, daß man der Leuchtkraft der alten Farben
heute näherzukommen versteht. Auch unter den von
modernen Künstlern entworfenen Fenstern findet
sich manches Erfreuliche, ich nenne etwa Glasbilder,
die von Julius Klinger, Ludwig Hohlwein,
Julius Goller, Lucian Bernhard, Rudolf und
Fia Wille und manchen anderen gezeichnet sind.

j. SlEVERS

NEUE KUNSTLITERATUR

Corinth, L o v i s. Das Leben Walter Leistikows.
Geb. 12 M. Berlin, Paul Cassirer.

Dieses Dokument einer selbstlosen und treuen

Künstlerfreundschaft trägt den zutreffenden Unter-
titel „Ein Stück Berliner Kulturgeschichte". Denn
sein Zweck und Ziel scheint weniger der zu sein,
für Leistikows längst nicht mehr bestrittene Meister-
schaft zu kämpfen, als" zu zeigen, wie reich sich
dieses Künstlerleben in seinem Kulturumkreis
entfaltete, wie dem organisatorisch hochbegabten
Künstler auch soziale und kunstpolitische Funktionen
zuwuchsen, wie er auf weite Schichten des intellek-
tuellen Berlin hinauswirkte ... Es handelt sich
um ein temperamentvoll geschriebenes Gedächtnis-
buch, das zu einem Bekenntnis Corinths selbst wird.
Seine interessantesten Partien hat das Buch in jenen
Kapiteln, die von der „Vereinigung der XL" und
von der Gründung der Berliner Secession handeln
— bekanntlich war Leistikow der Spiritus rector
beider Zusammenschlüsse. Was über diese ein-
schneidenden Vorgänge im Berliner Kunstleben
einer, der dabei war, an wertvollen und aufschluß-
reichen Mitteilungen darbietet, das hat dauernde
Bedeutung und wird von den künftigen Geschichts-
schreibern der „Moderne" dankbar als authentisches
Material hingenommen werden. Auch hinsichtlich
der Umstände, die zur Gründung des Deutschen
Künstlerbundes führten, ist manches neue Licht
aufgesteckt worden, wie auch sonst einige künst-
lerische Ereignisse, die in den Interessenumkreis
Leistikows gehören, von Corinth in neuer Beleuch-
tung gezeigt werden. Man sieht, in diesem Buche
wird auf „Milieu" viel Wert gelegt. Und dennoch
zerdrückt die Umwelt das ordnende und führende
Individuum nicht. Alles hat seine selbstverständ-
liche Relation zu Leistikow. Daß der Mensch mehr
in den Vordergrund geschoben ist als der Künstler,
das bedaure ich keineswegs. Denn wir erhielten so
anstelle einer trockenen Künstleranalyse und eines
Oeuvre-Katalogs ein vollsaftiges Buch des Lebens,
das aber immerhin noch genug von dem Erstrebten
und Erreichten des Künstlers gibt. Mit einem Wort:
das Buch ist gut und — was bei Werken dieser Art
nicht immer der Fall — interessant bis zur letzten
Seite. — Zwei Originalradierungen sind dem typo-
graphisch gut ausgestatteten Bande beigegeben;
unter den zahlreichen Textillustrationen aber findet
man nichtnur Reproduktionen Leistikowscher Bilder,
sondern auch verschiedene photographische Auf-
nahmen, die auf Leistikow oder seine Wirkungs-
stätten Bezug haben. g. j. w.

Rolfs,Wilhelm. Geschichte der Malerei Neapels.
Gebunden 25 M. Leipzig, Verlag E. A. Seemann.

Dieses außerordentlich gründliche Werk ist Pionier-
arbeit. Was bisher über die Malerei Neapels ge-
schrieben wurde, das basierte auf den schwindel-
haften Angaben des Bernardo de Dominici, „des
gefährlichsten Fälschers, der je die Menschheit
(insbesondere die gelehrte) an der Nase herumge-
führt hat", eines literarischen Hochstaplers, der
seine Quellen kalten Mutes erfand und mit Hilfe
einer erstaunlichen Erfindungsgabe Lebensläufe fin-
gierter neapolitanischer Künstlerfamilien ausarbeitete
mit Daten, die rein aus der Luft gegriffen sind. —
Aus den Maschen dieses zum erstenmal entlarvten
Erzlügners befreite Rolfs die Entwicklungsgeschichte
der neapolitanischen Malerei. Dieser Riesenleistung
folgte die nicht weniger schwierige Arbeit, nun
zuverlässige Quellen aufzudecken, und, da sie sehr
spärlich und nicht alle rein fließen, aus den erhal-
tenen Kunstdenkmälern heraus den Entwicklungs-
gang der neapolitanischen Malerei zu rekonstruieren.

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