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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Ein Protest deutscher Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0462

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„EIN PROTEST DEUTSCHER KÜNSTLER"

Im Verlag von Eugen Diedrichs in Jena ist
kürzlich unter diesem Titel eine Broschüre
erschienen, die sich gegen die Invasion fran-
zösischer Kunst in Deutschland wendet und
die in der Presse lebhafte Erörterung gefun-
den hat. Der Maler Karl Vinnen, den man als
Landschafter und von seiner einstigen Zuge-
hörigkeit zu den Worpswedern her kennt, hat
diesen Protest deutscher Künstler veranlaßt.
„Kampf gegen eine in Deutschland so über-
mächtig gewordene Interessentengruppe und
deren Bundesgenossen, die Aestheten und die
Snobs", heißt es in der Einleitung der Broschüre.
Zweifellos steht in diesem Aufsatz viel Richtiges
und Beherzigenswertes, und Vinnen deckt Wun-
den und Schwären am Körper der deutschen
Kunst auf, von denen einmal öffentlich gespro-
chen werden mußte. Niemand wird ihm in
dieser Hinsicht sein Verdienst bestreiten. Aber
es ist bedauerlich, daß neben diesem Guten
manche schiefe Anschauung mitläuft, schade
auch, daß über all dem Verallgemeinern einzelner
Fälle nicht einmal der Versuch unternommen
ist, Vorschläge zu einer Besserung tatsächlich
vorhandener Mißstände zu machen. Die Bro-
schüre Vinnens wird es aus allen diesen Grün-
den nicht erreichen, daß man künftig einen

großen Bogen schlägt, um Paris aus dem Wege
zu gehen, sie wird auch die Galerieleiter und
Sammler kaum veranlassen, von nun an für
Werke der Impressionisten niedrigere Preise
zu zahlen und mehr deutsche Produkte einzu-
kaufen. Und so kann man sich des Gefühls
nicht erwehren, daß diese Broschüre, so sehr
sie auch aus der ehrlichsten Ueberzeugung
geflossen sein mag, und obwohl sie im Augen-
blick allerlei Aufregungen verursacht, ein
Schlag ins Wasser ist. Die Zustände unseres
Kunst- und Sammelbetriebs werden die alten
bleiben. In der Kunst tun es eben die Worte
nicht. Aber es ist schon so: mancher von
den Künstlern, der so zornesmutig über die
Kunstschriftsteller zu schelten weiß, ist im
Grunde selbst ein Kunstschriftsteller. Und
plötzlich steht er da mit seiner gefährlich ge-
zückten Broschüre. Doch wir wollen zusehen,
was uns Vinnen Richtiges zu sagen hat.
Die Kernpunkte der Vinnenschen Broschüre

— das sei ohne weiteres und gerne zugegeben

— berühren Erscheinungen, in deren prinzi-
pieller Beurteilung jeder, der sich mit den sozia-
len Grundlagen der Kunst einmal eingehender
befaßt hat, Vinnen prinzipiell zustimmen wird.
Da handelt es sich fürs erste um ein wirt-

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