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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 26.1910-1911

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Wolf, Georg Jacob: Die Internationale Kunstausstellung der Münchner Secession 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.13089#0521

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RUDOLF SCH RA MM-ZITTAU BÄUERIN AM FENSTER

Sommer-Ausstellung der Münchner Secession

DIE INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG DER
MÜNCHNER SECESSION 1911

Von Georg Jacob Wolf

"pver Großen in der Kunst gibt es in dieser
Zeit weniger als je. Das Wort vom „golde-
nen Mittelweg" ist unter uns zu populär ge-
worden. Unsere Sozialpolitik kennzeichnet die
Hätschelung des Durchschnitts und der Mittel-
mäßigkeit. Der Entstehung von Genies ist
dieses Jahrhundert nicht hold. Genies werden
in Zeiten erzeugt, da scharfe Gegensätze hart
aneinanderprallen. Zum Genie gehört Kampf
und Kraft. Gebahnte Wege und weiche Täler
haben nichts damit zu tun. Unsere Volks-
erziehung aber leitet auf solche Bahnen. Sie
steckt jeden in eine Uniform und hat gut acht,
daß sich keiner nach oben oder unten hin
außerordentlich und ungewöhnlich entwickle.
Unser Schulbetrieb sieht sein Ideal darin, eine
Brutanstalt „schöner Talente" zu sein . . .
Die Kunst ist ein Spiegel. Nicht in jenem

kulturhistorisch-illustrativen Verstand, den man
diesem viel und sinnlos reproduzierten Satz
einst gern unterlegte. Wessen Blick nicht an
der Oberfläche haften bleibt, der muß erkennen,
daß jede Kulturwelle brandend an der Insel
der Kunst emporzischt. Daß in Technik, Struktur
und Stimmung der Kunst zum Ausdruck kommt,
was an kulturellen Fragen die Nation beschäf-
tigt, begeistert, bedrückt. Die wieder erwachte
altpreußische Tüchtigkeit, die soldatische Dis-
ziplin, der Deutschland seine nervigen Siege
verdankt, spiegelt sich in Menzels Kunst. Die
deutsche Neu-Renaissance fand in der leuch-
tenden Palette Böcklins ihre Interpretation.
Ohne die Prämissen der seit einem halben
Jahrhundert in hoher Blüte stehenden psycho-
logischen Wissenschaft wäre der moderne Im-
pressionismus undenkbar.

Die Kunst für Alle XXVI. 21. 1. August 1911 481
 
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