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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Bredt, Ernst Wilhelm: Zu Ferdinand Staegers "Waldlegende"
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0068

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ZU FERDINAND STAEGERS „WALDLEGENDE“*)

In der „Waldlegende“ — einer Folge von sie-
ben großen Radierungen — hat Staeger der
deutschen Kunst ein Werk geschenkt, indem sie
alles, was dieser immer feinsinnige Künstler als
seine eigene Welt, Art, Kunst bezeichnen darf,
wie in einem glückbringenden Kleinod bewah-
ren wird. — Immer ging Staeger seine eigenen
künstlerischen Wege. Nicht nur als Erfinder,
Träumer, Phantast, Romantiker oder wie man
ihn sonst nennen will und muß. Auch als Zeich-
ner und als Radierer. Das mußte er aus inne-
rem, heilig-ernstem Zwang. Denn wer so selige
Welten erträumt wie er, so voll zarter, sonni-
ger Luft und duftiger Ferne, der mußte den
Griffel leichter, zarter anfassen und führen als
Realisten von festem Schlag. —
Die Blätter sind keine Illustrationen zu irgend
einer Erzählung. Es sind freie symphonisch ge-
faßte Bilder eines liebenswürdig-versöhnlichen
Weltbetrachters und Lebensgestalters.
Denn das ist’s, was uns beim Betrachten so
beglückt, so befreit von allem Zwang jenseits
künstlerischer Erlebnisse: Staegers Kunst ist
ganz frei von Berichterstattung oder Protokoll-
führung. In Worte läßt sich hier nichts packen.
Es sind Bilder. Reine künstlerische, ferne, ferne
Welt umgibt uns. Eine Welt voll Musik, voll
Rauschen des Waldes, voll Licht. Sie greift ein
in das Leben des Künstlers, wie in das Marias
und Josefs und des Christuskindes, das schließ-
lich am Kreuz stirbt. Ein uraltes Thema also —
das immer um so stärker wirkt, je freier es ge-
faßt, von dem einen schwer und düster, von
Staeger lächelnd, versöhnlich wie eine schöne
Legende.
Staeger ist Österreicher wie Schwind und
wie dieser ein Maler voll innerer Musik. Ich
scheue mich nicht, Staegers Kunst mit der
Schwinds zu vergleichen, gerade nur wegen des
musikalischen Gehalts. Denn ein Epigone, ein
Nachahmer Schwinds ist Staeger nicht im ent-
ferntesten. Nach Technik, Form, Fassung würde
ich viel eher an irgendeinen jener köstlichen
Radierer des achtzehnten Jahrhunderts denken,
die die Spiele und Parks, die Träume und Ideale
jener Welt romantisch-dekorativ umschilderten.
— War damals ein zierlicher Geschmack, bei
reicher Erfindung Gabe einer größeren Zahl
von Künstlern, so erscheint Staegers Erfin-
dungsreichtum in reizenden Kompositionen
heute fast einzigartig.
Tatsächlich steht Staegers reiche Kunst, ein-

*) „Eine Waldlegende.“ Sieben Radierungen von Ferdinand
Staeger. Ausg. A Nr. i 25 auf Kais. Handjapan; Ausg. B.
Nr. 26—100 auf Bütten. München, Verlag von F. Bruckmann A.-G.

heitlich nach innen und außen, außerhalb der
Richtungen unserer Zeit, denn eigene Sprache,
Stimmung, Seele, Hand zeichnet sie aus. Von
der „Waldlegende“ gilt dies ganz besonders.
Wie wird die Jahrzahl 1918, die auf dem ersten
Bild zu lesen, den Betrachter einst nachdenklich
machen: So eigenträumerisch verklärte sich ein
deutsch-österreichischer Künstler des Lebens
unabwendbare Fügungen und Bilder. So fern
von Zorn, Mißmut oder gar Verzweiflung.
Die Titelvignette ist geradezu ein Signet Stae-
gerscher Kunst. Wer anders konnte ein sol-
ches Blatt erfinden und radieren ? Zierliche Säu-
len in brandenden Wogen. Wie eine Altane
tragen sie eine blühende, sonnige Welt über
üppigem Gerank von Blumen und Früchten.
Im Wald eine Hütte, davor der Zimmermann bei
der Arbeit, ein äsendes Reh unterm Marienbild.
Mit solchem Lied beginnt die Legende vom
Wald, die nicht zu erzählen ist, die schauend
belauscht werden will mit ihren reichen Bildern
voll stiller Schönheit und doch seligem Genügen.
Aber diese Bilder — der schaffende Künstler
im Kreise der Seinen, die Madonna, die des
Kriegers Wunden kühlt, während das Christus-
kind mit der Mutter Krone das Wasser vom Wald-
bach schöpft, der stille Friedhof im sonnigen
Wald, der Kruzifixus im wilden Sturm, der
fiedelnde Josef vor des Künstlers Heim — offen-
baren gleichzeitig des Künstlers starkes Können,
seinen Triumph über alle Verstimmung: Das
Leben bringt Sturm und Not und alles endet,
aber des Schaffenden Glück macht doch alles
vergessen. — So mag etwa der Akkord klingen
aus der einzelnen Bilder Töne.
Und Staeger ist ein Könner. Erstaunlich leicht
ist seine Hand. Bilder, die wie von Silberfäden
gewoben erscheinen, müssen Kundigeund Unkun-
dige locken zur rein technischen Betrachtung.
Gilt schon Ähnliches von den fabelhaft zarten
Bleistiftzeichnungen Staegers — auch sie haben
das weiche Linienspiel seidener Teppiche und
Gespinste — so konnten doch die vorliegenden
Radierungen nur von einem Meister geschaffen
werden, der mit Radiernadel und Ätzwasser in
so feiner Weise umzugehen versteht wie wenige.
Aber die Zartheit ist hier nicht Spielerei, nicht
Virtuosität, ist vielmehr geistige Folge und Ein-
heit mit des Künstlers Weltanschauung und
Seele. Die Hand wird bestimmt. Nicht immer
vermag sie so zu folgen wie hier.
So ist auch Zartes stark zu werten. Träumer
und Herrscher zugleich führt uns der Künstler
lächelnd in sein weltfernes Eiland eigener
Schönheit und Seligkeit. E. W. Bredt

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