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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Hofmann, Egon: Über den Expressionismus als Zeiterscheinung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0445

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Staatliche Museen


KONRAD VON KARDORFF

Akademie der Künste, Berlin

STEINBRUCH IN SOLNHOFEN

ÜBER DEN EXPRESSIONISMUS ALS ZEITERSCHEINUNG

Der Expressionismus ist bereits ein Faktor
geworden. Hier handelt es sich nicht Stel-
lung dagegen zu nehmen, pro oder contra. Für
ihn ist genug geschrieben worden, die Literatur
wächst sich langsam zu Bergen, gegen ihn zu
wettern vermöchte höchstens ein überzeugter
Reaktionär. Aber immerhin scheint es ange-
bracht, Öl in die hochgehenden Wogen zu gießen.
Gefahren drohen, auf die hingewiesen werden
muß. Schon winkt das Geschenk der Mode,
schon lockt der Markt. Konjunktur wird geahnt,
Sensation erstrebt. Dem gilt es vorzubeugen der
ernsten Sache willen. Eine neue Zeit ist ange-
brochen, wir glauben es wenigstens, auch wenn
in manchem die äußeren Zeichen anders deu-
ten. Immanent aber in allen das Bewußtsein,
daß wir einer Erneuerung bedürfen, einer tief-
gehenden Änderung.
Wie Schuppen fiel es von den Augen, daß
wir eigentlich der Kultur bar waren, lediglich
Zivilisation besaßen. Und letztere hat sich im
Grunde genommen als Danaergeschenk erwie-

sen, sich selbst ad absurdum geführt. Zer-
rissen ist die Zeit; Altes ist noch nicht über-
wunden, das Neue gebärdet sich wild. Ein
Übergangsprozeß, konvulsivische Zuckungen,
Pathos und Ekstase. Ein fruchtbarer Boden
für den Expressionismus. Die Möglichkeit sich
auszubreiten ist da; aber gerade das, was wir
überwinden müssen um sein wahres Wesen aus-
zuschöpfen, das rasende Tempo ist geblieben,
kein organisches Wachsen mehr, sondern ein
in die Halme schießen, ein üppig Überwuchern,
Mitläuferwesen, Parasitentum; das Gefährliche
daran, daß es schwer erkennbar. Denn nie ward
es den viel zu vielen leichter gemacht, Äußer-
liches als Rezept zu nehmen, „wie er sich räus-
pert und wie er spuckt“.
Um die Bewegung zu verstehen, muß Ver-
gangenes beleuchtet werden. Der Impressionis-
mus war erschöpft, die Möglichkeiten ausgenützt.
Er hatte viel gegeben, eine Bereicherung der
Palette, neue optische Werte, Licht und strah-
lende Sonne, Überwindung des Ateliertons und

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