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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Oldenbourg, Rudolf: Nationale Kunst
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Herbstausstellung der Künstlervereinigung Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0087

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die Interessen unserer Museen, wenigstens in
den großen Kunstzentren, zu leiten hat. Für
jeden, der sich künstlerisch zu bilden sucht (und
für wen anders sind die Museen da?), hat
Rodin ebensowenig mit der Entente zu schaffen
als Tizian und er wendet sich mit Widerwillen
von den Treibereien ab, in denen kleine Exi-
stenzen und sonst beschränkte Köpfe ihren Vor-
teil suchen. Denn freilich sind unberufene
Sachverständige, besonders aber Künstler, die
sich den hohen Forderungen ihres angemaßten
Berufes nicht gewachsen fühlen, eifrig darauf
bedacht, die Begriffsverwirrung über Kunst
und Nationalismus beim Alten zu lassen.
R. Oldenbourg
HERBSTAUSSTELLUNG DER
KÜNSTLER VEREINIGUNG DRESDEN
T^\ie Künstler Vereinigung Dresden hat in
■G' dem neuen städtischen Ausstellungshause am
27. September ihre diesjährige Herbstausstellung
eröffnet, die nach der nun schon feststehenden
Übung der Graphik gewidmet ist und daneben
etwas Plastik umfaßt. Im ganzen sind 80 Künst-
ler vertreten: 9 mit 32 Plastiken, 71 mit 513 Zeich-
nungen, Radierungen, Lithographien, Holzschnitten
usw. Der Geist der Ausstellung ist durchweg mo-
dern und kennzeichnet sich u. a. schon dadurch,
daß die Bezeichnungen zahlreicher graphischer
Werke im Katalog sich auf die Angabe: Zeichnung
Nr. 1—12, Rötelzeichnung, Komposition, Land-
schaft 1 —10 beschränkt. Das deutet auf die Miß-
achtung des Gegenständlichen hin, das jetzt viele
der modern sein wollenden Künstler beherrscht,
ist aber zugleich unzweckmäßig für den Künstler
wie für den Kunstfreund, denn die Angabe im
Katalog „Zeichnung“ ist vor dem Bilde selbst
unnötig und enttäuscht den Benützer, sie vermag
aber auch nicht im geringsten seiner Erinnerung
aufzuhelfen, wenn er sich an der Hand des Kata-
logs an das erinnern will, was er gesehen hat, um
etwa nachträglich etwas zu kaufen. Nicht trifft
diese Bemerkung über Gegenstandslosigkeit und
mangelhafte Bezeichnung auf Edvard Munch,
dem man eine Sonderausstellung mit 64 Blättern
eingeräumt hat: Kraft und Tiefe des Aus-
drucks kennzeichnen seine Erfindungen; sie
steigern sich nicht selten bis zum Unheim-
lichen und Mystischen; herbe Satire gesellt
sich hinzu; Anmut und Schönheit im engeren
Sinne sind nur seltene Gäste in Munchs Kunst,
aber scharfsehende eindringliche Wesenskennzeich-
nung — besonders in den Bildnissen — ist ihr eigen.
Die Sparsamkeit der Mittel, die Kraft des Striches,
die Beschränkung auf das Wesentliche sind die
wirksamen Eigenschaften von Munchs eindring-
licher Ausdruckskunst. Ein Gegenstück dazu sind
die 21 Zeichnungen von Hans von Marees, die in der
Hauptsache von der Marees-Gesellschaft darge-
liehen sind: hier herrscht nicht die herbe Kraft
und die aufrüttelnde Tiefe des Ausdrucks, sondern
die wohlabgemessene Linie und die klassische Form;
die Darstellungen führen uns in paradiesische
Lande, wo schöne Jünglinge und Jungfrauen, oft
mit Pferden zusammengestellt, ein ruhiges leiden-
schaftloses Dasein führen. Verwandter Art sind
Ludwig von Hofmanns Kompositionen, in denen

Natur und Mensch zur harmonischen Einheit ver-
schmolzen sind. Mannigfaltiger und reicher ist die
Sonderausstellung Otto Hettners, der mit 26 Litho-
graphien, Aquarellen und Rötelzeichnungen wieder
den Reichtum seiner Phantasie und die Schwung-
kraft seiner Zeichenkunst bekundet. Hierher ge-
hören auch Paul Rößlers rhythmisch - figürliche
Kompositionen. Wieder ganz andere Eindrücke
vermitteln die scharf treffenden, humoristischen
und satirischen politischen Karikaturen von Olaf
Gulbransson, die von barocker Phantasie und
leidenschaftlicher Bewegtheit getragenen Erfin-
dungen von Josef Hegenbarth (Prag) und die
Bilderfolge zu der Pest von Bergamo, zu Don
Quichote und zu Rabelais’ Gargantua und Panta-
gruel, auch farbige Zeichnungen von Otto Schubert,
die in lebendigem Vortrag von poetischem Emp-
finden und verständnisvoller Einfühlung in die
ihm geistesverwandten illustrierten Werke zeu-
gen. Mit alter Kraft tritt wieder Robert Sterl
auf, dessen reizvolle Illustrationen zu Oskar Bies
Werk Musik auf der Wolga, russische Landschaften
und Städtebilder, schwer tragende Arbeiter, Schiffe
auf der Wolga, Bilder aus dem Konzertsaal usw.
die scharfe Beobachtung und die Fähigkeit bekun-
den, in raschen Strichen flüchtigstes Leben mit
unfehlbarer Sicherheit vor uns hinzustellen. Von
Otto Gußmann sehen wir großzügig gezeichnete,
sanft bewegte weibliche Akte, ebensolche von
Georg Kolbe und Wilhelm Lehmbruck, auch von
Ernst Bat lach zwei scharf eindringende Ausdrucks-
skizzen Frost und Hunger, Bettelnde Musikanten,
allesamt hergeliehen von der Städtischen Kunst-
halle in Mannheim. Nennen wir weiter Richard
Drehers gehaltvolle weiträumige Landschaften, die
nicht minder eindringlich geschauten stimmungs-
vollen Landschaften von Otto Fischer, die ernsten
erzgebirgischen Winterbilder und die Pillnitzer
Baumstudien von Erich Buchwald-Zinnwald, dann
Wilhelm Howards (Leipzig) in kräftigem Strich ge-
zeichnete Holzschnitte aus dem alten le Havre und
aus Leipzig, weiter Wilhelm Gieses reichbelebte
anschauliche Radierungen des Treibens auf Ber-
liner Straßen und Plätzen, Walter Zeisings leben-
dige Bilder russischen Städtelebens, die trefflichen
Zeichnungen aus Lille von Paul Oberhoff, Fritz
Winklers Frontbilder, die sich nur als farbige Ein-
drücke geben, ähnlich Otto Schulzes düstere Kriegs-
eindrücke, die fein empfundenen Aquarelle aus Feld,
Wald und Garten von Arno Drescher, Otto Langes
Kreuzigung und Anbetung, Ernst Richard Dietzes
stimmungsvolle radierte Landschaften aus dem
Balkan, aus Mazedonien und Albanien sowie Hans
Nadlers stilisierte Landschaften und Studien —
so haben wir wohl alles besonders Bemerkens-
werte der graphischen Ausstellung vermerkt. Ganz
vorzüglich ist aber auch die Plastik durch Edmund
Möllers Sonderausstellung von Büsten und kleinen
bronzenen Tänzerinnen vertreten. Die Büsten be-
zeugen erneut seine noch immer sich steigernde
Kraft, das Wesen der Persönlichkeit eindringlich
und mit Würde wahrendem Geschmack wiederzu-
geben; besonders genannt seien die Büsten des
Dresdner Stadtbaumeisters Pölzig, des Malers Ar-
tur Kampf und des Musikers Hermann Scholz.
Überaus reizvoll bewegt sind die bronzenen Tän-
zerinnen, und stark empfunden ist die Gruppe
Mutterglück. Gute Büsten sind auch von August
Schreitmüller und von Georg Türke vorhanden, vor-
trefflich aus dem Stoff herauskomponierte Gruppen
in Meißner Porzellan stammen von Erich Hösel.
Im ganzen eine wohlgelungene, vielseitige und an
Anregungen reiche moderne Ausstellung. P.Sch.

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