Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

DOI Artikel:
Laaff, W.: Hans Völcker
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0197

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Elemente der neuen Richtung nicht aufzuneh-
men. Die Farbe wurde lichter, heller, leuch-
tender, sie wurde in viel höherem Maße Stim-
mungsträger. Das Stoffliche des Vorwandes
trat immer stärker zurück. Nicht das Gegen-
ständliche trug jetzt die Stimmung, es regte
ihn nur noch an, so daß sie frei und unge-
hemmt seiner Seele entquoll. Völcker wird Ex-
pressionist. Zwar nicht in dem Sinne, daß der
Gegenstand völlig aufgelöst und unkenntlich
wird, aber er ist unwichtig, er wird aufgesogen
und neugestaltet und dabei in eine solch er-
höhte Sphäre von Farbenschönheit übertragen,
daß der ursprüngliche Naturzustand vor dem
Bilde, das der Künstler daraus gestaltet, tief
herabsinkt. Romantische Schönheit ergießt sich
über die einfachsten Stillebenvorwürfe, Land-
schaften aus Oberbayern z. B. gestalten sich zu
Farbenakkorden, die man früher nur unter süd-
licher Sonne zu bilden gewohnt war. Der Pinsel-
strich löst sich zu freien Fluten der Farben-
wellen.
Auf dem großen Bilde der Sammlung Kirch-
hoff ist der Dünenwald, der die Anregung ge-
geben, nur kaum als solcher kenntlich. Dafür
zuckt ein gespenstiges Leben in den sich win-
denden, vom Seewind zu Krüppeln gedrehten
Stämmen und aus dem zwischen Braun zer-
streuten kärglichen Grün des Buschwerkes. Ein
unheimliches Licht bricht darüber durch eine
Spalte des violetten Gewölbes. Die Formen
sind mit äußerster Sparsamkeit gegeben. Da-
für ist das Leben der Farbe tun so stärker.
In einem mächtigen Seestück tritt er durch die
Gleichheit des Motivs in nächsten Wettstreit
mit Courbets Wogenbildern. Dieselbe Gewalt
der Wogen stürzt sich auf den ganz vornliegen-
den schaumbedeckten Strand. Dahinter wallt
die unendliche See, darüber flutet in stärkster
Bewegung der vom Sturm zerrissene Himmel.
Die Schönheit der Farbe, die Wucht des Pinsel-
zuges sind voll Stimmungsgehaltes. In einem
Punkt begegnen sich beide Meister. Die Kraft
und Schönheit der Farbe ist beiden das ent-
scheidende Stilelement, mit dem sie zugleich
die Stimmung erzeugen. Aber Courbet gibt die
Natur deutlicher, er schafft sich damit einen
stärkeren Widerstand, den er beleben muß,
Völcker gibt weniger vom unmittelbaren Ab-
bild der Natur, dafür aber mehr befreiten Schwung
der Seele. Wenn er Courbets Gewalt nicht ganz
erreicht, so ist es wohl dem Umstand zuzu-
schreiben, daß wir bei Courbet die größere,
innere Energie fühlen, die zur Erreichung des
gleichen Ausdrucks bei gleichzeitiger genauerer
Wiedergabe der Natur notwendig ist. Völcker
braucht weniger innere Gewalt, weil er sich von
der Materie von vornherein entfernter hält. Er

entwickelt seinen Flug leichter und mit minderer
Anstrengung. Darum teilt sich auch dem Zu-
schauer trotz der starken Bewegtheit der Bild-
fläche kein solches Maß von Erregung mit, wie
bei Courbet. Dies soll nicht zur Verkleinerung
Völckers gesagt sein, sondern um ihn an dem
Höchsten zu messen, mit dem er den Maßstab
gemein hat.
Völckers Entwicklung breitet sich wie eine
gleichmäßige Fläche logisch aus. So beschei-
den sich der Umfang seiner Stoffe darstellt,
insofern er nur Landschaft und Stilleben gibt,
so vielseitig ist die innere Entwicklung, so
reich die Verschiedenheit der Farbenstimmung.
Er zeigt sich hierin als ein Meister, der die
Schätze der Vergangenheit mit trunkenen Sin-
nen aufgenommen hat. Die feinen Reize alter
Seidenbezüge, die verschossenen Halbtöne des
Rokoko verwendet er mit gleicher Sicherheit,
wie die sammetartig tiefen Töne des 19. Jahr-
hunderts und die hellen Fanfaren des Ex-
pressionismus. Frei und leicht schließen sich
die Eindrücke zusammen und werden zum
malerischen Gedicht.
Man hat vielfach die letzte Entwicklung
Völckers nicht verstanden und als einen Bruch
mit seiner impressionistischen Vergangenheit
ansehen wollen. Dabei wird übersehen, daß
gerade das Beste an ihm, das ihn zum Künst-
ler macht, beiden Entwicklungsstufen gemein
ist. Früher war es gebunden an die genauere
Wiedergabe des Vorwurfs, jetzt beherrscht es
diesen in höherem Maße und entfaltet sich
damit um so reiner und kräftiger. Der Ex-
pressionismus, wenigstens der wahrhaft künst-
lerische, ist eben nur eine Entwicklung des
Impressionismus, wie auch dieser nur eine
Entwicklung der naturalistischen Malerei der
vorausgegangenen Epoche war.
Seine Befähigung zur dekorativen Ausge-
staltung von Innenräumen kam nicht nur den
oben genannten öffentlichen, sondern auch
zahlreichen Privatgebäuden zugut. Als Vor-
standsmitglied des Nassauischen Kunstvereins
trat er seit Eröffnung des neuen Museums
stark in den Vordergrund, indem er der lebens-
starken jungen Kunst des Expressionismus
die Tür öffnete. Damit begannen hier wieder
Kämpfe um die Kunst, die neues Interesse
an derselben und erneute Sammeltätigkeit wach-
riefen.
So fand Völcker in der Provinz einen Boden,
wo er wohl eine reichere und segensreichere
Tätigkeit entwickeln konnte, als in den bekann-
ten Kunstzentren. Sein Leben ist der Mühe
wert gewesen; mögen ihm noch viele Jahre
in Fruchtbarkeit beschieden sein.
W. Laaff

182
 
Annotationen