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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Wolf, Georg Jacob: Hände
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0203

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Hände, die je ge-
malt wurden, rät-
selhaft wie der
Blick der Frau.
Hände, die von
Glück und von
Schmerzen er-
zählen, die voll
Geheimnisse und
voll Offenbarun-
gen sind und
gleich geschickt
erscheinen zur
Liebe wie zum
Dolchstoß. Ein
Gedicht Storms
auf eine Frauen-
hand fährt ei-
nem bei Betrach-
tung der Mona Lisa-Hände durch den Sinn:
Ich weiß es wohl, kein klagend Wort
Wird über deine Lippen gehen ;
Doch, was so sanft dein Mund verschweigt,
Muß deine blasse Hand gestehen.
Die Hand, an der mein Auge hängt,
Zeigt jenen feinen Zug der Schmerzen,
Und daß in schlummerloser Nacht
Sie lag auf einem kranken Herzen.
» «
*
Die neuere Malerei hat in Böcklin den
beredtesten, in Leibi und Menzel die materiell-
sten Händemaler ; Leibi und Menzel geben
wie Dürer „Porträte“ der Hand. Wenn Leibi,
wie er, der Kri-
tischsteallerneu-
zeitlichen gro-
ßen Maler, es
gerne tat, seine
Bilder zerschnitt,
so ließ er wohl
eine Hand oder
ein Händepaar
gelten und be-
stehen, und es
ist merkwürdig,
welch eigenartig
selbständiges Le-
ben solch eine
Hand, vom ur-
sprünglichen
Bild losgetrennt,

weiterlebt; nicht
minder merk-
würdig ist indes-
sen, wie bei Leibi
innerhalb des
Bildganzen das
Händespiel ent-
scheidet. „Alle
großen Alten ha-
ben die Hände
mit Kunst ge-
malt. Die Hand
ist so charakte-
ristisch wie das
Gesicht,“ sagte
er wohl gelegent-
lich. Bei Menzels
Händen staunt
man über die
Kraft und Anschaulichkeit, mit der der Meister
ihre Funktion ausdrückte, wie er das Reagieren
der Finger auf Sinnesreize, ihre physische und
seelische Feinfühligkeit darstellt.
Der Impressionismus, der das Herausarbeiten
der Details verpönt, hat die Abtötung der
Händemalerei bewirkt. Lenbach, ein Impressio-
nist wider Willen, ist in der Vernachlässigung
der Ausführung der Hände bei den meisten
seiner Bildnisse (ein paar Ausnahmen bestehen),
bis zum Äußersten gegangen. Lange erklärte
diese Vernachlässigung damit, daß der Künstler
den Blick des Beschauers auf einen Punkt
des Gesichtes, strenger gesprochen : auf die
Augen, habekon-
zentrieren und
das „Herumwan-
dern“ auf dem
Bilde habe ver-
hindern wollen.
Mit andern Wor-
ten : er fürchtete
die Konkurrenz
der Hand für das
Antlitz. Braucht
es noch eines
stärkeren Be-
weises, um die
Bedeutung der
Hand im Bilde
darzutun ?
GeorgJacobWolf


WILHELM LEIBL ZWEI FRAUENHÄNDE


WILHELM LEIBL ZWEI HÄNDE MIT BUCH

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