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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 34.1918-1919

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Bode, Wilhelm von: Neuere plastische Arbeiten von Richard Engelmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.13748#0216

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Stilgefühl; innerhalb jener festen Form fand
man aber zahlreiche originelle und feine Lö-
sungen, während bei unseren modernen Büsten
schon seit Jahrzehnten eine künstlerische Lö-
sung überhaupt kaum noch versucht wird.
Rodins krasser Naturalismus, der ihn in Akten
und Büsten unter den Modernen das Ausge-
zeichnetste schaffen ließ, hat ihn zu einer Stil-
losigkeit verführt, die in seinem Streben nach
Monumentalität bei seinen Denkmälern mit den
ganz zufällig zusammengestellten Aktfiguren
(wie in den „Bürgern von Calais“) sich ebenso
breit macht wie in seinen merkwürdigen kleinen
Marmorklötzen, aus denen lüstern der raffi-
niert kokett gearbeitete Teil eines nackten
Frauenkörpers hervorscheint wie eine verstei-
nerte Muschel aus dem Stein — wohl die wil-
deste Entartung des Reliefs!
Auch im Relief sucht Engelmann den An-
schluß an die alte stilvolle Kunst. So, um hier
ein Beispiel vorzuführen, in den „Trauernden
Frauen“ vom Grabmal Rheinhold in Hannover.
Diesen schönen Grabesschmuck hat schon einer
der berühmten griechischen Sarkophage in Kon-
stantinopel, und viele Jahrhunderte später er-
findet ihn die französisch-burgundische Kunst
der Spätgotik von neuem für denselben Platz.
Doch nur den schönen Gedanken entlehnt der
Künstler der alten Zeit, in der Ausführung hat
er, dem Platz entsprechend, an dem die Klage-
frauen angebracht sind, ein ganz flaches Relief

angewendet, während sie an jenem griechischen
Sarkophag einzeln zwischen kleinen Säulen in
Hochrelief angebracht sind, und an den bur-
gundischen Steinsärgen die trauernden Mönche,
die den Leichenkondukt versinnbildlichen, in
kleinen Freifiguren die Seiten der Totenkiste
schmücken.
Auch darin schließt sich Engelmann älteren
Vorbildern an, daß er bei einem Standbild statt
ein getreues Prrträt der Person zu geben, wie
Deutschland deren nur zu viele besitzt, eine
allegorische Gestalt als Personifikation ihres
Wirkens hinstellt. Daher zeigt sein Wilden-
bruch-Denkmal einen nackten Krieger im Vor-
schreiten, im Begriff sein Schwert zu ziehen,
um dadurch die Kriegspoesie und zugleich die
Betätigung des Dichters auf den deutschen
Schlachtfeldern zu feiern.
So bieten diese neueren Arbeiten Richard
Engelmanns, in höherem Maße noch als die
früheren, neben denen einiger gleichstrebender
älterer und jüngerer Bildhauer die hoffnungs-
volle Aussicht, daß unsere deutsche Kunst
doch aus den Irrungen und Wirrungen der
neuesten Kunstrichtungen ihren Anschluß an
unsere ältere Kunst wieder finden wird, daß
sie auf der gesunden Basis echter Naturemp-
findung und Naturkenntnis zu einer stilvollen
Formenauffassung, zu einer echten, schlichten
und gemütvollen nationalen Kunst wieder ge-
langen wird. W. von Bode


RICHARD ENGELMANN

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WEIBLICHE HALBFIGUR
 
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